Author Archives: Ruediger

Keine Filmkritik: 3096 (Teil 1,4)

 

 

Der im vorherigen Teil behandelte 3. Zwischenbericht der SOKO Ka. endete mit einem Kapitel, welches sich mit der Auffindsituation des Hauses von Priklopil nach der Flucht der Natascha Ka. beschäftigte.

Dieser ist derartig interessant, so dass er hier in ganzer Länge wiedergegeben sein soll.

 

Aus den Dokumentationen in den Tatortmappen seien nunmehr wesentliche Erkenntnisse erlangt worden. Der Tresor habe sich außerhalb der vorgesehenen Öffnung mit der Tresortürseite am Boden liegend befunden. Eine Schmuckkassette mit 10 Golddukaten, 2 Anstecknadeln sowie einem Anhänger und einem Ring sei am Boden vor der Ausnehmung gelegen. Die Holzkommode habe sich unmittelbar vor der Betonausnehmung im vorderen Bereich der Montagegrube befunden, wobei diverse Sparbücher und Schmuckstücke sowie Schlüssel darauf abgelegt gewesen seien. Die Erhebungen dazu hätten erbracht, dass diese Auffindungssituation nicht von den ersteinschreitenden Polizeibeamten bzw. der Cobra verursacht worden sei. Der Cobrabeamte KI Paul W. habe angegeben, dass die von innen verschließbare und von außen mit einem Mechanismus zu öffnende und zum ersten Raum bzw. zum Verlies führende Türe offen gestanden habe. Demnach müsse sie mit dem dafür vorgesehenen Mechanismus (Ratsche sei angesteckt gewesen) entriegelt worden sein. Die Auffindungssituation lasse die Aussage zu, dass sie offensichtlich in einer Panik- oder Verzweiflungssituation verursacht worden sei. Weiters sei ein festgestellter Widerspruch zwischen der Auffindungssituation des Mercedes Sprinter des Wolfgang Priklopil und den festgehaltenen Angaben des S. und der Christine B. laut Amtsvermerk vom 24.8.06 abgeklärt worden. Nunmehr stehe aufgrund der Aktenlage fest, dass Wolfgang Priklopil, nachdem Natascha Ka. während der Reinigung des Mercedes Busses, der zu dieser Zeit auf der rückwärtigen Seite des Grundstückes gestanden sei, und während des von Wolfgang Priklopil mit Beginn um 12.56 Uhr zum Anschluss 0676/xxxxxxx für 98 Sekunden geführten Passivgespräches, geflüchtet sei, Natascha Ka. mit dem weißen Mercedes Sprinter gesucht und unter anderem Johann K. nach einem Mädchen mit blondem Haar und rotem Kleid gefragt habe. Dann sei er zum rückwärtigen Teil seines Grundstückes zurückgekehrt, habe den Mercedes Bus laut Auffindungssituation abgestellt, vom Bus die Wechselkennzeichen genommen und auf dem in der straßenseitig der Hxxxxxxxstraße gelegenen Garage abgestellten BMWi wieder angebracht. Vor der Flucht mit dem BMW aus der Garage, wie von Stefan B. wahrgenommen, müsse Wolfgang Priklopil seinen am Körper getragenen Schmuck am Wohnzimmertisch abgelegt und in der Garage die Holzabdeckung zur Montagegrube entfernt und zum Verlies gelangt sein, wo von ihm die beschriebene Auffindungssituation verursacht worden sein müsse. Kurz nach dem Wegfahren des Wolfgang Priklopil mit seinem BMW sei Stefan B. von zivilen Beamten nach Wolfgang Priklopil befragt worden. Wiederum kurz nachdem die Beamten wieder weggefahren seien, sei Wolfgang Priklopil nach den Angaben des Stefan B. mit seinem BMW 850i zurückgekommen, von Stefan B. darauf hingewiesen worden, dass ihn die Kripo suche, wobei Wolfgang Priklopil dabei völlig gehetzt und fertig gewirkt habe und Ringe unter den Augen gehabt habe. Schon aus den Angaben des Stefan B. sei der Verdacht begründet, dass Wolfgang Priklopil nach der Flucht von Natascha Ka. gegen 13 Uhr in eine Panik- und Verzweiflungssituation geraten sei, sich in die Montagegrube begeben und die dortige Auffindungssituation verursacht habe. Dazu sei zu klären: Welche Gegenstände entnahm Wolfgang Priklopil dem Tresor? Wo befindet sich der Schmuck der Waltraud Priklopil, der ihren Angaben zufolge im Tresor verwahrt worden sei, dort aber nicht aufgefunden worden sei? Aus welchem Grund war es für Wolfgang Priklopil so wichtig, vor seiner Flucht noch ins Verlies zu gelangen? Anzunehmen sei, dass er etwas im Verlies Verwahrtes an sich gebracht habe, um dieses noch zu beseitigen, wobei bekanntlich bei Durchsuchung des BMW 850i keine bedenklichen Gegenstände vorgefunden worden seien. Vermutlich bei Ein- oder Aussteigen in das Verlies müsse sich Wolfgang P. am Kopf verletzt haben, nachdem Mathilde H. bei ihm eine frische Beule festgestellt habe. Aufzuklären sei auch, warum Wolfgang Priklopil vor seiner Flucht seine Schmuckstücke auf dem Wohnzimmertisch abgelegt habe. Dies lasse darauf schließen, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits mit dem Leben abgeschlossen habe. Wenn Wolfgang Priklopil vor seiner Flucht aus dem Tresor und dem Verlies etwas mitgenommen habe, könne er dies nur Ing. Ernst H. übergeben haben. Die Videoauswertung des Donauzentrums habe ergeben, dass Wolfgang Priklopil außer einem Schlüsseltäschchen keine Gegenstände mit sich geführt habe. Ob Wolfgang Priklopil nach dem Telefonat beim Infocenter des DZ in Richtung Ausgang oder zu seinem BMW gegangen sei, sei nicht geklärt.

 

In diesem Bericht entdecken wir einige Widersprüche und seitens der SOKO auch einige Ungenauigkeiten.

Den Beamten der SOKO war offensichtlich die Auffindsituation selbst „spanisch“ vorgekommen, so dass sie sich bei den damals eingesetzten Beamten erkundigen mussten. Der Versuch der Rekonstruktion der letzten Ereignisse auf dem Grundstück von Priklopil gelingt kaum.

 

Priklopil, der sonstige Pedant und gleichzeitig Choleriker, soll im Keller panisch etwas gesucht und daher das dort vorgefundene Chaos angerichtet haben. Wenn man etwas sucht, weiß man ja nicht mehr genau, wo man es abgelegt hat. Der herausgerissene Tresor zeugt von einem Gewaltausbruch, vielleicht aus Verzweifelung. Es ist weder bekannt, was Priklopil gesucht haben könnte und ob er es überhaupt gefunden hatte.

 

Es scheint aber etwas zu fehlen: der Schmuck der Mutter. Das heißt aber nichts, denn vielleicht hat es diesen – wenn überhaupt – bereits vorher an diesem Platz nicht mehr gegeben. Priklopil soll sich trotz seiner Panik und letztlich auch unter Zeitdruck die Zeit genommen haben, um seinen Körperschmuck im Wohnzimmer zu hinterlegen. Der Rückschluss der SOKO, dass Priklopil zu diesem Zeitpunkt mit dem Leben abgeschlossen habe, ist reine Spekulation. Denn erst einmal flieht er, lässt aber sein Telefon und seine Geldbörse (im weißen Kastenwagen) und anderes liegen.

 

Die Ursache für die bei Priklopil beobachtete Beule am Kopf wird ebenfalls nur mutmaßt.

 

Da nicht bekannt ist, ob Priklopil das unbekannte Gesuchte mitgenommen habe, ist unter der Voraussetzung, dass er dieses gefunden und mitgenommen hatte, der SOKO-Rückschluss logisch, dass dieses nur noch seinem Freund Ernst H. ausgehändigt worden sein könnte. Denn in Priklopils BMW hatte man nichts von Belang gefunden.

 

Nur ist dieser Rückschluss nicht zwingend, weil er die Möglichkeit außen vor lässt, dass Priklopil dieses „Etwas“ vor dem Treffen mit Ernst H. bereits entsorgt haben könnte. Oder er hatte es noch bei sich, es aber nie dem Ernst H. ausgehändigt und erst anschließend, vor seinem Tod, vernichtet oder „verloren“.

Die erwähnte Überwachungskamera im Donauzentrum hatte tatsächlich nichts an Habe bei Prikopil bemerkt, vom Schlüsselbund abgesehen. Das heißt aber nicht, dass er etwas in den Hosentaschen gesteckt haben könnte, beispielsweise Datenträger. Ganz zu schweigen von der Möglichkeit des Kofferraums seines BMW.

 

Außerdem bleibt immer noch die Möglichkeit, dass Priklopil das Gesuchte nicht gefunden hatte. Das wiederum würde bedeuten, dass es sich nach seiner Flucht noch in seinem Haus befunden hätte und heute in Besitz von anderen Personen sein sollte – oder von diesen bereits vernichtet. In diesem Fall bestünde freilich von dieser Seite ein Interesse der Verschwiegenheit, was die durch die Staatsanwaltschaft aufgestellte Einzeltäter-Theorie obsolet machen würde.

 

Es existieren dazu leider keine weiteren Informationen. Einzig die mysteriösen und gesperrten drei Mini DV-Bänder lassen in diesem Zusammenhang einen weiteren Verdacht zu.

 

Dieser dritte Zwischenbericht der SOKO birgt allerdings noch zwei Überraschungen, die nicht sofort auffallen, weil unter dem Eindruck einer Tatsache eher beiläufig erzählt.

 

Hierbei handelt es sich zum einen um das so genannte „Verließ“ und die schwere Tresortür davor. Es wird geschildert, dass diese Tür durch einen Mechanismus von außen zu öffnen, allerdings von innen (!) verschließbar wäre.

Dieser Beschreibung nach handelte es sich bei dem „Verließ“ eher um ein Versteck oder besser: um einen so genannten „Panic-Room“.

Es handelte sich somit um einen Sachverhalt, der sich zumindest nicht mit der ganzen offiziellen Geschichte veträgt.

 

Zum anderen wurden zwei zivile Polizeibeamte erwähnt, die sich beim Nachbarn Stefan B. nach Wolfgang Priklopil erkundigt hätten.

 

Die Polizei war am 23. August 2006 um 13.04 Uhr über den Notruf von Frau Inge P. verständigt worden, in deren Garten sich Natascha Ka. mit der Bitte um Hilfe befunden hatte. Zwei Revierinspektoren aus Deutsch-Wagram hatten sich danach mit einem Streifenwagen auf den Weg nach Strasshof gemacht. Die Wegstrecke bedeutet einen Katzensprung, sie werden also rasch vor Ort gewesen sein.

 

In dieser Zeit muss Priklopil zuerst mit seinem Lieferwagen die junge Frau, dann im Haus nach etwas Unbekannten gesucht haben, um anschließend die Kennzeichen zu wechseln und mit seinem BMW fortzufahren.

 

Wir wissen nicht genau, wann diese Polizisten bei Inge P. und Natascha Ka. eingetroffen waren und wie viel Zeit Priklopil überhaupt zur Verfügung stand. Aber es erstaunt, dass bereits zu diesem Zeitpunkt zwei Kriminalbeamte (laut dem Protokoll bei Peter P.) in Strasshof eintrafen, als sich die Polizisten vom Revier Deutsch-Wagram noch bei Inge P. befanden, um sich von Natascha Ka. informieren zu lassen.

Wer hatte die beiden Kriminalbeamten informiert und woher waren sie so schnell erschienen?

 

Bei den beiden Kripobeamten muss es sich um jene gehandelt haben, die sich bei den Nachbarn Stefan B. nach Priklopil erkundigt hatten. Das macht nur Sinn, wenn sie zuvor beim Haus in der Heinegasse gewesen waren, Priklopil dort aber nicht angetroffen hatten. Die uniformierten Polizisten dürften zu diesem Zeitpunkt Natascha Ka. zum Revier Deutsch-Wagram gefahren haben.

 

Wieviel Zeit mochte nun vergangen sein?

 

Für Verwunderung sorgt die Information, dass die beiden Kriminalbeamten mit unbekanntem Ziel anschließend fortfuhren und nicht als Objektsicherung vor Ort verblieben – wenigstens so lange, bis weitere Polizisten zur Ablösung erscheinen konnten. Eine Fahndung lässt sich auch telefonisch veranlassen.

Das bedeutet, dass der hier angenommene Tatort, das Haus von Priklopil, ohne Aufsicht gelassen wurde. Wie lange, das entzieht sich noch unserer Kenntnis, ist aber nicht unerheblich für die Spurenlage innerhalb des Gebäudes.

 

Wäre die Polizei vor Ort geblieben, wäre ihnen zudem Priklopil direkt in die Arme gelaufen, was abermals „verpfuscht“ wurde. Priklopil kam tatsächlich wieder zurück und wurde von seinem Nachbarn Stefan B. darüber informiert, dass die Kriminalpolizei nach ihm suchen würde.

 

Es ist nicht bekannt, warum Priklopil zu seinem Haus zurückgekommen war. Hatte er gehofft, dass Natascha Ka. sich wieder beruhigt und zurückgekehrt war? Hatte er deswegen nochmal nachschauen müssen?

Priklopil scheint sein Haus nun nicht mehr betreten zu haben. Nach der Information durch den Nachbarn soll er mit seinem Wagen wieder fortgefahren sein. Nun erst hatte er seine Flucht angetreten.


Freitag
09
August 2013

Keine Filmkritik: 3096 (Teil 1,3)

 

 

Ein dritter so genannter Anlassbericht folgte bereits am 19. Mai 2009 (ON 7), in welchem von der SOKO Ka. der Staatsanwaltschaft über die weiteren, aber unergiebigen Hinweise berichtet wurde.

Es wurde außerdem mitgeteilt, dass sich „die kriminalpolizeiliche Ermittlungsarbeit in einer entscheidenden Endphase befinde, so dass es nunmehr zwingend erforderlich sei, Einsicht in die bislang unter Verschluss gehaltenen Niederschriften der Natascha Ka. zu nehmen, um bestehende Verdachtsindikationen auf vollständiger Basis abschließend beurteilen zu können. Der operativen Sonderkommission des BKA möge daher die Möglichkeit geboten werden, die Verschlussobjekte unter Rahmenbedingungen einzusehen, die der Befürchtung von den Opferinteressen abträglichen Indiskretionen jede Grundlage nehmen. Es werde eine Einsichtnahme durch Oberst Kröll und CI Kurt L. in der 22. Kalenderwoche vorgeschlagen und um Rückäußerung gebeten.“

 

 

Der dritte Zwischenbericht (ON 8) wurde von der SOKO am 14. Juli 2009 erstellt und zwei Tage später dem Staatsanwalt Hans-Peter Kro. ausgehändigt. Hierin wurde mitgeteilt, dass bislang 101 Personen befragt wurden, und gleichzeitig angekündigt, dass die wichtigsten bzw. mysteriösesten von ihnen nochmal zum bisherigen Erkenntnisstand befragt werden sollten.

 

In diesem Bericht wurden zudem eine Reihe von Befragungen dargestellt. So die Befragung des Zeugen Manfred S., der Ernst H. mehrfach vor dessen Grundstück in Mistelbach gesehen habe, wobei einmal oder zweimal zwei weitere Personen im Fahrzeug gesessen wären, darunter ein Mädchen. S. war aber leider nicht mehr in der Lage, diese Personen zu beschreiben.

Andere Befragungen nach Hinweisen stellten sich als nicht relevant, unergiebig oder auch als falsch heraus, so dass hier nicht weiter darauf eingegangen werden soll.

 

Befragt wurden aber auch Medienvertreter nach den Inhalten ihrer Artikel und natürlich nach der jeweiligen Quelle. Dazu gehörte auch Hans H., der „Chefreporter“ eines Magazins.

„Dieser gab zu seinem Artikel vom 26.1.2008 mit Überschrift „Das dunkle Geheimnis der Mutter“ an, dass ihm Dragomir D. über die Begegnung mit dem Mädchen vor der Halle erzählt habe, wobei Dragomir D. angegeben habe, Ing. Ernst H. habe die Frage nach dem Mädchen dahin beantwortet, dass es sich um eine Bekannte gehandelt habe. Außerdem habe er Ing. Ernst H. angerufen und ihn konkret befragt, ob Wolfgang Priklopil die Brigitta S. gekannt habe bzw. ob er selbst Brigitta S. kenne, wobei Ing. Ernst H. sinngemäß geantwortet habe, dass sich Wolfgang Priklopil mit so einer xxxxxxxxxx niemals eingelassen hätte, Wolfgang Priklopil vielmehr auf ganz junge Mädchen gestanden sei.“

Und:

Zu seinem Artikel 18/08 mit der Überschrift „Jetzt spricht die Mutter des Entführers“ gab Hans H. an, dass Waltraud Priklopil von sich aus vorgebracht habe, dass sie von „Ernstl“ (Ing. Ernst H.) erfahren habe, dass Natascha Ka., wenn sie mit Wolfgang Priklopil gestritten habe, öfters vom Haus Strasshof weggelaufen, abends aber wieder reumütig ins Haus zurückgekehrt sei. Aufgrund dieser Angaben sei mit CI Johann F. zu seinem Amtsvermerk vom 14.5.2009 über das Gespräch mit Waltraud Priklopil Rücksprache gehalten worden, worauf CI Johann F. erklärt habe, Waltraud habe bestätigt, ein Interview gegeben zu haben, habe aber entschieden in Abrede gestellt, die in Rede stehenden Angaben gegenüber Hans H. gemacht zu haben.

Zu dem von ihm verfassten Artikel 26/08 mit der Überschrift „Der Kronzeuge im Kreuzverhör“ gab Hans H. an, dass Dragomir D. ihm erzählt habe, dass er von Ing. Ernst H. erfahren habe, dass sich Wolfgang Priklopil und Brigitta S. gekannt hätten. Er habe dann Ing. Ernst H. mit den Angaben des Dragomir D. und mit den Angaben der Waltraud Priklopil konfrontiert. Ing. Ernst H. habe erwähnt, dass Natascha ihren Eltern nicht vertrauen würde und er ihre einzige Bezugsperson sei. Im Zusammenhang mit der Befragung des Ing. Ernst H. habe er von Mag. Margit W. eine SMS mit dem Wortlaut „Bitte berücksichtigen sie, dass es um das Leben eines unschuldigen Menschen geht. Dank. M.Wxxxxxxxxxxx.“ erhalten.“

 

 

Befragt wurde auch Oswald H., Journalist einer „Gratis“-Zeitung.

„Oswald H. sei am 23.6.2009 zu weiteren vertraulichen Informationen befragt worden, wonach Oswald H gegenüber Ludwig Ko. behauptet habe, dass es „Erotische Darstellungen der Natascha Ka.“ gäbe. Oswald H. habe angegeben, dass er von einem Informanten des BKA erfahren habe, dass es ein Foto der Natascha Ka. gäbe, wo sie in eindeutig sexistischer Haltung, an einer Eisenkette festgebunden, gemeinsam mit zwei weiteren Männern zu sehen sei. Weiters sei auf diesem Lichtbild ein Knie zu sehen, das offenbar vom Fotografen stamme. Oswald H. sei angewiesen worden, keine Halbwahrheiten zu verbreiten. Am Folgetag habe sich Oswald H. gemeldet und erzählt, mit seinem Informanten beim BKA gesprochen zu haben, der Folgendes erzählt habe: Mitte September 2006 habe es wöchentlich zumindest 3 Besprechungen im Seminarraum A des BKA gegeben. Im Zuge einer dieser Besprechungen sei von der Darstellung einer jungen Frau mit blonden Haaren, die eine extrem starke Ähnlichkeit mit Natascha Ka. aufgewiesen habe sowie zwei unbekannten Männern gesprochen worden. Diese Darstellung der jungen Frau sowie der beiden unbekannten Männer und eines ersichtlichen Knies (insgesamt 4 Personen) sei bei der Hausdurchsuchung in Strasshof auf einem Datenträger gefunden worden und in der Folge bei der Auswertung gesichtet worden. Ausschließlicher Inhalt der Besprechung sei gewesen, ob es technisch möglich sei, die Bildqualität zu verbessern und ob dies von Spezialisten des BKA vorgenommen werden könne. Das Lichtbild sei nicht vorgezeigt worden. Teilnehmer der Besprechungen seien laut Informant Mag. Erich Z., Dr. Andrea R., K., zu 99 % CI Johann F., Gerhard L., Helmut G., Prof. Dr. Max F. oder Dr. B. sowie seitens der Justiz Untersuchungsrichter Mag. Christian G. oder StA Mag. Hans-Peter Kro. gewesen. Nach Angaben des Informanten haben Prof. Dr. Max F. und CI Johann F. respektive dessen Mitarbeiter diese Darstellung mit Sicherheit auch visuell gesehen und sei diese Darstellung (als Lichtbild oder Datenträger) den Justizbehörden übergeben worden. MR Mag. Erich Z. sei am 25.6.2009 von diesen Angaben des Journalisten Oswald H. in Kenntnis gesetzt worden, worauf er angegeben habe, sich an eine derartige Besprechung nicht erinnern zu können, CI Johann F. wolle dazu befragt werden, nachdem behauptet werde, dass dieser das Bild auch gesehen habe.Die Befragung des CI Johann F. vom 25.6.2009 habe ergeben, dass er sich weder an ein solches Bild, noch an eine derartige Besprechung erinnern könne. Konkret habe er angegeben, dass die drei im Haus Strasshof vorgefundenen und sichergestellten Datenträger (Mini DV-Kassetten zur Kamera Canon MV 5 gehörig) von ihm und AI K. im Beisein des Untersuchungsrichters Mag. Christian G. gesichtet worden seien und dabei mit Sicherheit kein Bild, wie von Oswald H. behauptet, festgestellt worden sei. Aufgrund dieser Erkenntnisse sei die Aussage zulässig, dass der vom Journalisten bezeichnete Informant aus dem BKA entweder aus Mutmaßungen und kursierenden Gerüchten falsche Schlüsse gezogen habe oder dass dieser Informant nicht existiere. Nach Konfrontation mit diesen Ergebnissen habe Oswald H. angegeben, dass es klar sei, dass die Beamten nicht gegen ihre eigenen Vorgesetzten ermitteln würden. Es werde ersucht, den gegenständlichen und durch Oswald H. bekannt gewordenen Sachverhalt strafrechtlich zu beurteilen.“

 

 

Dieser Abschnitt ist vom hohen Interesse. Wir wissen nicht, ob dieser Informant beim BKA tatsächlich existiert, und wenn doch, über das konkrete Zustandekommen seiner Angaben gegenüber Oswald H.

Dennoch lässt sich etwas festhalten: die Informationen sind detailliert, einerseits was die bei der Sichtung anwesenden Personen betrifft, andererseits über das Bildmaterial selbst.

Aus dem Bericht geht außerdem hervor, dass die SOKO keinen Einblick auf diese drei Bänder hatte und sich somit gar nicht selbst über den Inhalt überzeugen konnte. Deswegen scheint es grotesk, dass hier die Ermittlung über einen Zeitungsredakteur eingeschlagen wird, der seine Quelle – ob echt oder fingiert – natürlich niemals preisgeben würde. Die genannten Schlussfolgerungen über den möglichen Informanten sind somit höchst spekulativ.

Stattdessen sollte die Frage erlaubt sein, warum diese drei Bänder gesperrt worden sind.

Wenn das Geschilderte angeblich nicht zu sehen sein soll, was ist stattdessen zu sehen?

Denn eines ist klar: sollte auf jenen Bändern tatsächlich das zu sehen sein, wie durch Oswald H. kolportiert, gebe es nicht nur einen echten Beweis für eine Mehrtäterschaft, einer dieser Täter wäre sogar visuell archiviert.

Und würde wiederum das der Fall sein…

 

 

Sonntag
28
Juli 2013

Keine Filmkritik: 3096 (Teil 1,2)

 

Am 23. Oktober 2008 gab das Justizministerium bekannt, dass der Fall Ka. von der Staatsanwaltschaft und vom Bundeskriminalamt neu aufgerollt werden würde. Es sollte der zentralen Frage nach möglichen Mitwissern oder gar Mittätern nachgegangen werden. Die neue Justizministerin Maria B. erklärte, dass sie sicher stellen wolle, dass es keine weiteren Opfer gab und geben wird. Frau B. erklärte allerdings auch, dass nicht alles noch einmal überprüft, sondern stattdessen gezielt vorgegangen werden solle.

 

Zu diesem Zweck wurde zusammen mit dem Innenministerium eine neue Sonderkommission gebildet, wobei darauf geachtet wurde, dass diese aus neuem und bislang nicht im Fall involvierten Personal bestand. Operativer Leiter dieser neuen Soko Ka. wurde der Polizeioberst Franz Kröll vom LKA Steiermark.

 

 

Dieser Schritt der Behörden wurde auch von dem damaligen Entführungsopfer Natascha Ka. als positiv aufgenommen.

„Ich finde es gut, dass sich die Behörden dazu entschieden haben, mehr Licht in meinen Entführungsfall zu bringen. Es darf nicht sein, dass mögliche weitere Täter, von denen ich keine Kenntnis habe, ungestraft bleiben.“

Allerdings stand auch eine mögliche Klage auf Entschädigung im Raum, sollten die neuen Ermittlungen zum Nachweis vorheriger gravierender Ermittlungsfehler führen. Für den Anwalt von Ka., Gerald G, war dies noch nicht „abgehakt“.

Wie wir wissen, hatten zu diesem Zeitpunkt bereits zwei schwere Ermittlungsfehler nachgewiesen werden können. (Keine erkennungsdienstlichen Fotos der Fahrzeughalter für die einzige Entführungszeugin sowie der ignorierte Hinweis durch den Polizeihundeführer).

Redakteure einiger Medien begrüßten ebenfalls das Vorhaben einer Neuermittlung. Einer von ihnen erinnerte sich an einige Umstände:

„Vieles an den Ermittlungen erscheint unfassbar. Bei der Durchsuchung im Hause Priklopil fanden Beamte so genannte Mini-DV-Bänder. Sie mussten ungeprüft und versiegelt dem Untersuchungsrichter überstellt werden. Einige Beweismittel aus dem Haus in Strasshof bei Wien – darunter Videobänder, Notizzettel und Kleidung – wurden Frau Kampusch ausgehändigt. Ein erstes erkennungsdienstliches Foto Natascha Ka’s, aufgenommen direkt nach ihrer Befreiung, wurde auf Weisung, des damaligen Soko-Chefs vernichtet. Offenbar waren die Ermittler Soko (in wohl berechtigter) Sorge, dieses Foto könne aus einer undichten Stelle Zeitungen zugespielt werden. Soweit waren die Zustände in der Polizei: Niemand traute niemandem.“

Es mag so gewesen sein, dass niemand niemandem traute. Es kann aber auch so gewesen sein, dass nur eine Gruppe innerhalb der Staatsanwaltschaft und der Polizei den restlichen Beamten nicht traute und das Medienargument trotz desaströser Medienarbeit nur vorgeschoben war. Die oben genannte kleine Aufzählung des hier zitierten Redakteurs beinhaltete auch nur eine Auswahl bestimmter Vorkommnisse.

Anfang Dezember 2008 wurde über die Medien bekannt, dass die neue SOKO nun Ermittlungen bezüglich Kinderpornographie aufgenommen habe. Der Chef des BKA, Franz L., erklärte, dass es Hinweise gebe, die auf einen Kinderpornoring hindeuten könnten.

Gleichzeitig wurde die Evaluierungskommission von der neuen Innenministerin Maria F. mit einer neuerlichen Evaluierung beauftragt (12. Dezember 2008).

Somit ging der Fall Ka. in eine neue Runde.

Die neu gebildete SOKO machte sich an die Arbeit und verfasste am 4. Februar 2009 einen ersten Zwischenbericht für die Staatsanwaltschaft Wien. Hierin wurde mitgeteilt, dass eine Reihe von Befragungen und Erhebungen im Umfeld der Familie Ka. keine neue Erkenntnisse zugelassen hatte. Zudem habe sich die Geschichte mit einem Wiener Sado-Maso-Club, wo Priklopil angeblich verkehrt haben soll, als falsch herausgestellt. Sogar ein Apothekenbesuch im Januar/Februar 2006 von Priklopil gemeinsam mit Ka. in Strasshof konnte nur „angenommen“ werden.

Unter die Lupe genommen wurde auch Ernst H., der ehemalige Freund von Priklopil, dieses Mal aber offenbar ein wenig gründlicher. In seinem Telefon hatte sich unter der Bezeichnung „be kind slow“ die Telefonnummer eines gewissen Peter B., einem pensionierten Bundesheeroffizier, befunden. Die Bedeutung dieses Pseudonyms konnte aber bislang nicht geklärt werden. (Zu diesem später noch mehr).

Nicht uninteressant war die Auskunft von Herrn Sch., dessen Familie mit den Eltern Priklopils bekannt gewesen war, dass Wolfgang Priklopil ihm zwischen 1993 und 1995 bei einem Besuch in dessen Haus den im Keller eingebauten Tresor gezeigt habe, vor dem ein Kasten gestanden habe. Sch. hatte außerdem Gegenstände auf den Tatortvideo wiedererkannt.

Befragt wurde außerdem unter anderem ein Josef. B., dessen Telefonnummern sich im Speicher von Priklopils Mobiltelefon befunden hatten. Allerdings habe dieser Proklopil nicht gekannt, dafür aber Ernst H. Ursache soll hier ein zuvor getätigter „Handytausch“ zwischen Priklopil und Ernst H. gewesen sein. Laut der Aussage von Ernst H.

 

Mit einem 1. Anlassbericht vom 9. Februar 2009 „übermittelte das BKA der Staatsanwaltschaft Wien Auszüge aus den Zeitschriften „Österreich“ und „die aktuelle“ vom 7.2.2009, worin berichtet wurde, dass Natascha Ka. das Tathaus um Euro 100.000.- von Waltraud Priklopil gekauft habe, im Kaufvertrag ein Passus enthalten sei, wonach sich auf der Liegenschaft noch Werkzeuge und Geräte sowie Restmaterialien aus dem Eigentum des Ing. Ernst H. befänden, das dieser in Absprache mit der Käuferin abholen könne, und Waltraud Priklopil bei dem Kaufabschluss von der Schwester des Ing. Ernst H., der sie am 2.10.2006 eine Vollmacht erteilt habe, vertreten worden sei. Hieraus wurde der Schluss gezogen, dass Ing. Ernst H. mit Wolfgang Priklopil gemeinsam das Verlies gebaut und Natascha Ka. gekannt habe, zu der er engen Kontakt pflege (ON4 des Aktes 54 Ehv 79/10x LGSt Wien).“

 

Dieser Schluß wurde demnach als ein Indiz gewertet, doch handelte es sich um ein schwaches Indiz. Der SOKO kam es in diesem Zusammenhang augenscheinlich merkwürdig vor, dass es zwischen dem Entführungsopfer Natascha Ka. und Ernst H. ein enges Verhältnis gab.

 

Mit dem zweiten Zwischenbericht vom 17. April 2009 (ON5) berichtete das BKA der Staatsanwaltschaft Wien, „dass auch die weiteren umfangreichen Erkundigungen bisher keinen Ermittlungsansatz zur Erhärtung des Anfangsverdachtes in Richtung § 207a StGB gegen die Beschuldigten erbracht hätten.“

Der Staatsanwaltschaft wurde allerdings noch übermittelt, dass mit Dragomir D. ein Zeuge ausfindig gemacht wurde, der wahrscheinlich schon einige Zeit vor Juli 2005, genauer: Mai 2003 oder Mai 2004, Wolfgang Priklopil, Natascha Ka. und Ernst H. bei der Veranstaltungshalle des Letzteren gesehen habe. Dragomir D. will hier Ernst H. gefragt haben, wer das Mädchen sei. Er habe von Ernst H. als Antwort erhalten, dass es sich bei dem Mädchen um eine Verwandte von ihm oder einer Tochter aus erster Ehe handeln würde.

Diese Aussage stand natürlich im Widerspruch zu jener des Ernst H., der Natascha Ka. im Beisein von Priklopil erst im Juni 2006 das erste Mal gesehen haben will.

 

Am 13. Mai 2009 folgte ein zweiter Anlassbericht (ON6), in welchem besonders auf den Zeugen Andreas Sch. eingegangen wurde. Dieser ist ein Nachbar des Anwesens von Ernst H. in Mistelbach. Davon abgesehen, dass Andreas Sch. mit Ernst H. aus baupolizeilichen Gründen im Streit lag und er ihn ohnehin nicht mochte, behauptete er, dass H. mit der Entführung der Ka. etwas zu tun habe. Sch. sagte aus, dass er im Mai 2006 Wolfgang Priklopil und Natascha Ka. beim Aussteigen aus dem weißen Kastenwagen und bei ihrem Gang zum Areal des Ing. Ernst H. beobachtet habe.“ Allerdings war es bereits etwas dämmrig gewesen, das Mädchen habe er genau gesehen, währed er den Fahrer des Kastenwagens weniger gut gesehen habe. Den weißen Kastenwagen habe er als jenen des Typs Mercedes erkannt, wie es später von der Polizei bekannt gegeben worden sei. „Andreas Sch. war der Meinung, dass Wolfgang Priklopil und Natascha Ka. mit den von ihm beobachteten Personen ident seien, die zum Haus des Ernst H. gegangen wären. Er habe diese Personen und das Fahrzeug nur dieses eine Mal gesehen.“

Und:

„Zur Wahrnehmung des Andreas Scho. führte das BKA aus, dass diese Wahrnehmung Andreas Scho. vor dem 17.5.2006 gemacht worden sein müsse, da das Tatfahrzeug, das Andreas Scho. wiedererkannt habe, am 17.5.2006 abgemeldet worden sei.“

 

Es folgte eine Schlußfolgerung durch die SOKO:

„Aufgrund der Angaben des Dragomir D. und des Andreas Scho. bestehe nunmehr der konkrete Verdacht, dass die Angaben des Ing. Ernst H. vom 24.8.2006, wonach er Natascha K. und Wolfgang P. nur einmal gesehen habe, unrichtig seien, er Natascha K. vielmehr schon weit länger gekannt habe, als er vorgegeben habe. Damit aber stehe Ing. Ernst H. im Verdacht, dass er Natascha K. zumindest seit Mai 2004 nicht nur gekannt, sondern durch verschiedene bereits bekannte Umstände auch davon Kenntnis gehabt habe, dass diese von Wolfgang P. am 2.3.1998 entführt worden war und es unterlassen habe, die Strafverfolgungsbehörde im Sinne des § 286 StGB in Kenntnis zu setzen.“

 

 

Dieser Anlassbericht lieferte allerdings noch eine ganz andere Information. Es drehte sich hierbei um einen Artikel des Schundblattes „Österreich“ vom 8. Mai 2009. In diesem Artikel wurde von dem Auffinden zweier DVDs im Haus von Priklopil berichtet, auf denen hunderte von Fotos von einer jungen Frau gespeichert sein sollen, teilweise nackt und in Handschellen, die wie Natascha Ka. aussehe.

 

Und weiter:

In diesem Zusammenhang wurde angemerkt, dass sich Journalisten scheinbar über Dritte Zugang zu dem, dem Untersuchungsausschuss zur Verfügung gestandenen Akt verschafft haben dürften, zumal die vorliegenden handschriftlichen Aufzeichnungen mit den im Akt vorhandenen Dokumenten Übereinstimmung aufweisen würden. Die Information stamme vom Chefredakteur der Heute-Zeitung Oswald H., der seinen Informanten nicht preisgegeben habe.“

 

Das bedeutete, dass jene Materialien, welche den einschlägigen „Gratis“-Zeitungen zugespielt worden waren, tatsächlich authentisch gewesen sind.

 

 

Samstag
13
Juli 2013

Bedürftig – 17. Kandidat: Michael S. (2)

 

Bernd Bieglmaier sollte uns von der Bedürftigen-Redaktion damit überraschen, dass er uns einen Bedürftigen empfahl, der bereits in den Genuß als Bedürftiger der Woche gekommen war. Zweimal, nein, das ginge nicht, war der allgemeine Tenor in der Redaktionsstube. Von Wettbewerbsverzerrung war die Rede. Es ginge doch, war aber die nachdrückliche Meinung von Bernd Bieglmaier.

 

Er argumentierte, dass Herr Michael S. zuvor nur in seiner Rolle als Vizekanzler zu seinem Titel gekommen, nicht aber in seiner Rolle als Außenminister. Bernd Bieglmaier legte seine Standpunkte da, und wir diskutierten mit ihm. Und diskutierten und diskutierten und diskutierten… und ließen uns von unserem Experten überzeugen. Herr Michael S. erwies sich als deratig bedürftig, dass wir schlußendlich nicht mehr umhin kamen, ihn ein weiteres Mal vorzustellen. Oder besser gesagt: vorstellen zu müssen.

 

In seiner Rolle als Außenminister eines angeblich „neutralen“ Landes scheint Herr Michael S. mit dem Begriff „Außen“ etwas falsch verstanden zu haben. Seine Instruktionen bezieht er gerne von außerhalb, vorzugsweise aus Washington und New York. Dort kann er auch zuhören. Und sollten dort seine Freunde aus der US-Administration wie bei der UNO-Vollversammlung im September 2011 keinen Dialog mit anderen Regierungsvertretern, die ihnen mißliebig sind, wünschen, so kommt er diesen Wünschen gerne nach. Wie an einer unsichtbaren Leine gezogen. Ganz ohne Halsband.

 

Sein Verständnis für „Neutralität“ erscheint deutlich deformiert, wenn Herr Michael S. wie Mai 2012 als kleiner Botschaftsüberbringer der nicht neutralen „EU“ davon schwafelte, dass der europäische Staat Bosnien „europareif“ werden solle und seinem bosnischen Amtskollegen dazu riet, „rasch die Weichen in Richtung“ dieser „EU“, aber auch gleichzeitig in Richtung „NATO“ zu stellen, der weltweit antineutralsten und aggressivsten Militärorganisation. Also jener Organisation, welche die Schaffung des Staates Bosnien unter der Führung aus Übersee erst ermöglicht hatte – unter anderem mit massenweise eingeflogenen islamistischen Söldnern und Terroristen. Versüßt wurde bosnische Einbindung mit jährlichen 100 Millionen Euro an EU-Steuergeldern für Bosnien, deklariert als „Vor-Beitrittshilfe“. Sogar einer der politischen Gegner von Herrn S., der Ex-Zivi und nunmehrige Ex-Verteidigungsminister Norbert N., der sich während seiner Amtszeit vor allem selbst verteidigt hatte, kam nicht umhin, sein Entzücken für diese verquere Neutralitätswahrnehmung zu verkünden: „Österreich arbeitet gut mit der „NATO“ zusammen.“ Sein Chef, der bedürftige Werner F., sah darin sogar einen „Meilenstein“. Schön, wenn man gemeinschaftlich jemand anderem so beflissen zuarbeiten kann.

 

Michael S. zusammen mit seinem bedürftigen Kumpel Werner F.

 

In der Bedürftigen-Redaktion ist immer wieder darüber diskutiert worden, ob die Anbiederung an die aggressivsten Militärmächte vielleicht doch einer geschickten Abwehrstrategie entspringt, damit Österreich irgendwann nicht ebenfalls als „Schurkenstaat“ bezeichnet werden könnte und im Zuge dessen in den Explosionswolken von „humanitären Bombardements“ zu verschwinden.

 

Dazu könnte durchaus der Besuch der österreichischen Delegation zum NATO-Gipfel in Chicago gewertet werden, zu welcher der US-Warlord Barrack O. nachdrücklich geladen hatte. Die 18 Millionen Euro, die lustigerweise als „hohe einstellige“ Summe bezeichnet wurde und wieder einmal vom Fehlen der mathematischen Grundkenntnisse zeugten, erscheinen für einen Frieden als sehr gering erkauft. Zumal dieses Geld über die Treuhandsgesellschaft „USA“ der armen Bevölkerung in der kriegsverwüsteten NATO-Besatzungszone Afghanistan zugute kommen soll.

 

Herrn S. lässt man ab und zu auch gerne reden, was grundsätzlich wichtig ist in seiner Rolle als Außenministers. Michael S. mag das auch, das Reden. Das ist wichtig, er ist wichtig, das Gefühl von Wichtigkeit ist wichtig. Man legt Wert auf seine öffentliche Meinung, die vorher nicht öffentlich an ihm herangetragen wird. Dann kann er sich darüber auslassen, was es bedeutet, keine eigene Meinung zu haben und auf die Meinung anderer zu warten, die ohnehin bekannt ist.

 

Aber dann kamen uns in der Bedürftigen-Redaktion doch wieder Zweifel an den Befähigungen des Außenministers und an seiner von uns angedachten, unterstellten geheimen strategischen Ausrichtung, um die österreichischen Bevölkerung vor einer Militärintervention zu schützen.

 

 

Zwar hatte sich Herr Michael S. im Herbst 2012 noch besorgt über die Palästinenser gezeigt und ihnen väterlich geraten, doch lieber nicht für die überfällige Anerkennung eines eigenen Staates einzutreten. Aber irgendwie hatte er es dabei fertig gebracht, dabei keinen eigenen Standpunkt zu benennen, dafür aber über mögliche Folgen für diese Menschen zu quatschen, die sie, in Stich gelassen, ohnehin tagtäglich zu spüren bekommen. Wie das halt so ist, wenn man unter den „Fittichen“ eines hochgerüsteten, aggressiven und rechtsgerichteten Arpartheit-Regimes, den Unantastbaren, ein elendes Dasein fristen muss.

 

Dennoch gefiel sich Herr Michael S. in seiner Rolle derartig gut, dass er – nach dem üblichen Zögern und der Meinungseinholung von außerhalb – nichts Negatives an dem NATO-Angriffskrieg gegen Libyen fand und schließlich die NATO-Proxy-Truppen und marodierenden Söldnerhaufen als „rechtmäßig“ anerkannte. Als rechtmäßiger Staat Libyen, als Armee oder gar als rechtmäßige Terroristen?

 

Selbst wenn wir die Sorge des Herrn S. in seiner Rolle als Außenminister um die Handelsbeziehungen teilen würden, einerseits gegenüber den kriegstreiberischen EUlern und dem Mastermind aus Übersee, andererseits gegenüber dem neuen NATO-Protektorat Libyen nicht an Boden zu verlieren. Denn dort war es bereits vor der Ermordung des Staatschefs um die Verteilung der Beute gegangen. Doch die Zerstörung eines Landes mit mindestens 60.000 – 70.000 Toten aller Altersgruppen existierte in dieser Sorge nicht. Dieses Wahrnehmungsproblem kann nicht akzeptabel sein und bewies uns eine tiefgreifende moralische Störung. Das Gerede von Menschenrechten wirkte daher aufgesetzt, zumal seine neuen Söldnerfreunde auch nach offiziellem Kriegsende weiterhin gerne foltern und morden.

 

Wir wissen natürlich nicht, ob Herr S. später in seinen Memoiren erzählen wird, dass es in Libyen nie Schwarzafrikaner gab, denn heute sind sie verschwunden. Rassistisch motiviert vertrieben, in Käfige gesperrt oder gleich erschlagen.

 

Somit verkommt die seit Mai 2011 bestehende Mitgliedschaft Österreichs im UNO-Menschenrechtsrat zu einer nichtssagenden Staffage, bei denen die permanenten und massenhaften Verbrechen der „westlichen“ UNO-Mitglieder alias NATO alias EU, die er gerne seine Freunde und Partner nennt, schlichtweg ignoriert werden. Sie existieren in der offiziellen Welt des Herrn S. nicht.

Bei seiner Rede zu dem „Internationalen Tag der Kinderrechte“ am 20. November 2011 fiel ihm nur ein einziges Land ein, welches sich um diese Kinderrechte einen Dreck zu kümmern scheint: der Iran. Womit sich Herr S. natürlich ganz auf Linie seiner Freunde und Mentoren aus Übersee befindet, die sich allein in den vergangenen 20 Jahren als Kindermörder uneinholbar an die Spitze dieser verabscheuungswürdigen Skala gebombt und geschossen haben und derzeit, seit bereits 2 Jahren, mal wieder einen neuen, nun aber mehr oder minder verdeckten Krieg in Syrien am Laufen haben.

 

Als Österreich im Mai 2011 für drei Jahre in den „Menschenrechtsrat“ der UN gewählt wurde, hatte Herr S. in seiner Rolle als Außenminister noch getönt: „Die weltweite Förderung der Menschenrechte ist seit vielen Jahren ein Kernanliegen der österreichischen Außenpolitik. Unsere Mitgliedschaft in diesem bedeutenden Gremium, wollen wir nutzen, um konkrete Schritte zur Verbesserung der menschenrechtlichen Situation weltweit zu setzen.“

Es sollten auch Schwerpunkte gesetzt werden: Schutz religiöser, ethnischer und sprachlicher Minderheiten. Schutz der Journalisten. Rechte der Kinder. Schutz von behinderten Menschen.

 

Wir aus der Bedürftigen-Redaktion beschränkten unsere Bedürftigkeits-Analyse vor allem auf den Schauplatz Syrien und verglichen Worte mit dem Handeln.

 

Dass sich der Staat Syrien gerade einer ausländischen Intervention erwehren muss, wird von Herrn Michael S. nicht bemerkt. Dass seine „Partner“ aus Übersee, seine Freunde aus der „NATO“ und seine „Bekannten“ aus den Golf-Dikaturen Massen an Söldnern ausbilden, ausrüsten und in das Land Syrien pumpen, um mit Mord und Terror die dortige Regierung im Tausch mit einer Marionette zu Fall zu bringen, wird ebenfalls nicht erkannt. Oder ignoriert. Oder verschwiegen.

Während er dem einen Golf-Intervenisten, dem radikalsten Regime in diesem Raum, einen Palais in Wien „für den Dialog“ schenkt, verurteilt er die syrische Regierung, die gegen diese immer besser ausgerüsteten Mörderbanden aus Saudi-Arabien, Katar, Jordanien, Libanon, Ägypten, Libyen, Tunesien, Israel, Tschetschenien, Afghanistan, Pakistan, Türkei, aber auch Syrien usw. vorzugehen versucht, sieht Al-Kaida-Truppen als Freiheitskämpfer an und Faschisten als Demokraten. Weitere Sanktionen gegen den syrischen Staat, welcher nur die Bevölkerung trifft, hält er für angemessen. Zwar fordert er Verhandlungen ein, übersieht aber, dass die imperialen Killer nicht verhandeln wollen und deponiert bei dieser Gelegenheit die gar nicht neutrale Ansicht nach einen Regierungswechsel, wie es vom Übersee-Imperium zufällig seit Jahren angekündigt und beabsichtigt worden ist. Ungeachtet dessen natürlich, dass die große Mehrheit der Syrer stärker als zuvor hinter ihrer Regierung steht und demokratische Wahlen bevorstehen.

 

Mit Hilfe der Definition von „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ aus den Nürnberger Prozessen mussten wir aus der Bedürftigen-Redaktion feststellen, dass der Schutz der religiösen, ethischen und sprachlichen Minderheiten (einschließlich der christlichen Minderheit) in Syrien außerhalb der Maßnahmen der syrischen Regierung nicht existent ist. Sie werden von den Terroristen und Faschisten ebenso ermordert wie behinderte Menschen. Die ermordeten syrischen Journalisten scheinen in der Statistik nicht auf. Terroristen ermorden Kinder, während sie andere zu Kindersoldaten „umerziehen“.

 

 

Dass Herr Michael S. in seiner Rolle als Außenminister über keine eigene zumindest öffentliche Meinung verfügt, sondern nur jene der anderen widergibt, ist hinlänglich bekannt. Aber es hatte bei uns in der Bedürftigen-Redaktion doch noch für Verwunderung gesorgt, dass Herr S, nicht nur seine „Partner und Freunde“ den verbrecherichen Rücken stärkt, sondern er offenbar Al Kaida „irgendwie“ ganz gut findet, welche nun in Syrien mit der mörderischen und zerstörerischen Drecksarbeit im Interesse seiner Geldgeber beschäftigt ist.

Herr S., war das nicht einmal ganz anders gewesen? Erinnern sie sich noch daran, was Sie von Ihrem großen Partner 2001 erzählt bekommen haben?

 

Allein die Vorstellung, derartig viel Speichel der Militärmächte zu lecken, hat uns in der Bedürftigen-Redaktion kotzen lassen.

 

Aber da wir nun wirklich nicht annehmen wollen, dass Herr S. in seiner Rolle als „christlicher“ Außenminister und Doktor der Rechtswissenschaften verräterisch den Interessen des Auslandes dient und als Helfer und Helfershelfer ein Komplize der Kriegstreiber und Kriegsverbrecher ist, müssen wir ihm bei den unüberbrückbaren Widersprüchen seiner Worte und seines Handelns bzw. Nichthandelns den Status eines besonders bedürftigen, weil sozial armen, inkompetenten, opportunen, feigen und offenbar unter Dauer-Demenz leidenden Menschen zweifellos anerkennen.

 

Diese Art von Bedürftigkeit mit dem aufgezeigten soziologischen und moralischen Tiefpunkt ist uns nicht genehm, das geben wir offen zu. Es war uns sogar richtig unangenehm, eine derartige Person erneut als einen Bedürftigen der Woche vorstellen zu müssen. Auch wenn er sich bei uns nicht persönlich gemeldet hat, aufgedrängt hat er sich allemal.

Wir möchten uns dafür entschuldigen, vor allem gegenüber all den anderen Bedürftigen, aber es blieb uns keine andere Wahl.

 

 

Sonntag
30
Juni 2013

Keine Filmkritik: 3096 (Teil 1,1)

 

Während die Evaluierungskommission sowie der parlamentarische Unterausschuss mit ihrer Arbeit beschäftigt waren, klagte der pensionierte Familienrichter und Politiker Martin W. auf Wiederaufnahme seines im Vorjahr verlorenen Verfahrens gegen die Mutter von Natascha Ka. Martin W. vertrat die These, dass Brigitta S. in die Entführung ihrer Tochter verwickelt gewesen sein könnte. Sein Anwalt ließ ausrichten, dass W. von neun Personen die Zeugenaussagen aufbieten wolle, die seine These stützen würden. Darunter Nachbarn und der damalige Leiter des Wiener Sicherheitsbüros, Max Edelbacher, welcher aussagte, dass Natascha Ka. damals bei ihren Eltern sehr unglücklich gewesen sei und zudem möglichen sexuellen Mißbrauch in den Raum stellte. Außerdem wollte W. den deutschen Staatsbürger Thomas V. präsentieren, welcher seinerseits behauptete, Kenntnis über eine „Pädophilen-Szene“ und einen Sex-Film zu haben, der angeblich auch Aufnahmen von Natascha Ka. beinhalten würde.

 

Unterstützung bekam W., der auch Natascha Ka. vor das Gericht als Zeugin laden wollte, von Ludwig Ko., dem Vater von Natacha Ka., und dem Detektiv Walter P. Sie wollten auch erreichen, dass die ganze Akte in diesem Verfahren geöffnet werden würde.

 

Martin W.

 

Zuvor hatten ein deutsches Magazin und das österreichische PROFIL Artikel über die Widersprüche in den Aussagen von Brigitta S. und auch der Mutter von Priklopil gebracht. Letztere will Natascha Ka. nur ein-, zweimal kurz im Haus ihres Sohnes gesehen und diese für eine Putzfrau gehalten haben. Die beiden Magazine zitierten allerdings Aussagen von Nachbarn, die beobachtet hatten, dass Priklopil mit dem Mädchen seine Mutter besucht hatte. Zudem wurde noch ein „Freund“ von Ernst H. angeführt, der behauptete, H. hätte ihm gegenüber gesagt, dass Priklopil und Brigitta S. sich gekannt hätten.

 

Offenbar waren beiden Magazine von Martin W. und Walter P. mit Material versorgt worden, um die angestrebte Wiederaufnahme des Verfahrens zu forcieren.

 

Brigitta S. wiederum klagte beim Landgericht für Zivilrechtssachen Graz abermals Martin W. auf Unterlassung, doch kam es im Mai 2008 zu Aussagen von einer Bekannten der S., die etwas Belastendes gegen S. an sich hatten. Beweise konnten aber nicht beigebracht werden.

 

Brigitta S.

 

Der letzte Verhandlungstag erfolgte erst im September 2008. Vor dem Bezirksgericht im steierischen Gleisdorf wurde auch der damalige Freund und Geschäftspartner von Priklopil befragt. Ein sehr unsicher wirkender Ernst H. sagte mit einer großen Sonnenbrille im Gesicht das aus, was er bereits zuvor ausgesagt hatte, wobei er Priklopil konsequent nur als „Bekannten“ bezeichnete. Danach attackierte H. draußen im Gang in einen Fotografen, woraufhin er von Ludwig Ko., der annahm, dass H. etwas mit dem Fall zu tun habe, gestoßen wurde. H. wiederum simulierte ein größeres Ereignis, bevor er sich entfernte.

 

Desweiteren wurde ein Nachbar von Brigitta S. in den Zeugenstand gerufen, der zuvor behauptet hatte, dass Priklopil bei ihr ein- und ausgegangen sei. Vor Gericht bestritt er diese Behauptung, während sich ein anderer Zeuge an diese Aussagen sehr wohl erinnern konnte. Ergebnis: null.

 

Zuletzt wurde der pensionierte ehemalige Leiter des Wiener Sicherheitsbüros befragt. Max Edelbacher bedauerte die Ermittlungspanne 1998 und die „falsche Bewertung“ der Hinweise. Wirklich Konkretes konnte er aber auch nicht hervorbringen. Seine Aussage, dass sich während der Ermittlungen Ludwig Ko. immer wieder nach seiner Tochter erkundigt habe, Brigitta S. dagegen bei ihm nie, warf ein schlechtes Licht auf die Letztere, mehr aber auch nicht.

 

Max E.

 

Schlußendlich erlitt Brigitta S. in ihrer Außendarstellung als mehr minder liebe Mutter erheblichen Schaden, aber sie gewann das Verfahrenen auf Unterlassung gegen Martin W., weil sich dessen Zeugen als unglaubwürdig, widersprüchlich oder nichtssagend entpuppt hatten. Eine Tatbeteiligung von Brigitta S. konnte nirgends auch nur ansatzweise nachgewiesen werden.

Verurteilt wurde danach allerdings noch Ludwig Ko. wegen dem tätlichen Angriff gegenüber Ernst H., welcher wiederum wegen seiner Tätlichkeit nicht belangt wurde.

 

Ludwig Ko.

 

Am 18. September wurde der parlamentarische Untersuchungsausschuss aufgelöst. Dies ging allerdings einher mit der Auflösung der Bundesregierung unter Gusenbauer/Molterer.

Zu dieser Zeit scheiterte in Österreich die Regierung Gusenbauer/Molterer.

 

Und doch nahm diese unselige Geschichte einen weiteren Fortgang.

 

Es einmal war die Information ein gefundenes Fressen für die Medien und ihre Leser, dass das Haus von Priklopil in den Besitz von Natascha Ka. übergegangen war. Außerdem hatte Ernst H. in einem Interview bekannt gegeben, dass er mit Ka. telefonieren würde. Sie habe ihn eines Tages – im Jahre 2006 – angerufen, erzählte er.

 

Über den Inhalt dieser Telefonate ist nichts bekannt. Aber es waren zahlreiche und lange Telefonate zwischen der damals abgeschirmten Natascha Ka. und dem ihr angeblich praktisch unbekannten Ernst H. gewesen. Dies sorgte allgemein für Unverständnis, da war das Legen von roten Rosen auf das Grab von Priklopil durch Natascha Ka. nur noch eine Randnotiz.

 

 

Freitag
14
Juni 2013

Karl Flanner – Ein kleiner Nachruf

 

Karl Flanner verstarb am vergangenen Sonntag, 2. Juni 2013, im Stadtheim von Wr. Neustadt. Nachdem er im Vorjahr den Verlust seiner Frau Hermine und seines Bruders zu beklagen hatte, traf es nun ihn selbst.

 

Sein Tod ist definitiv ein Verlust. Aber sehen wir es positiv, denn es ist erstaunlich genug, dass er als Antifaschist während der NS-Zeit trotz Gefängnis bei der damaligen Gestapo in Wr. Neustadt, Kerker in Graz-Karlau und dem Häftlingsdasein in den Kzs Dachau und Buchenwald mit all den erlebten mörderischen Entbehrungen und Ängsten, die für uns kaum oder gar nicht vorstellbar sind, 93 Jahre alt hatte werden können.

 

Diese Zeit hatte er genutzt. Mit seiner unermüdlichen Energie und Leidenschaft hat er Nationalsozialismus und Faschismus angeklagt, hat seine Erfahrungen und Erlebnisse publiziert, hat diese auch persönlich an Schulen und an alle anderen Interessierten weiterzugeben versucht, hat das Industrieviertelmuseum und die dortige Bibliothek aufgebaut und gemäß seiner Überzeugung alles ihm Mögliche getan, um der (heute kaum noch existenten) Arbeiterschaft ein unterstützendes Denkmal zu setzen.

 

Man musste nicht immer einer Meinung mit ihm sein, aber Karl Flanner verdient jeden Respekt für sein äußerst bemerkenswertes Rückgrat und seine Standfestigkeit, für die konsequente Umsetzung seiner Intention und Berufung, für seinen Streit und die Auseinandersetzung für eine so ungemein wichtige und gerechte „Sache“.

 

Denn seine Vergangenheit ist nicht nur Geschichte. Sie ist auch Gegenwart, unsere Gegenwart, wenn auch (wie immer) maskiert und politisch vollkommen ignoriert. Was ist eine (lächerliche) Stadtwappennadel aus den Händen politischer Opportunisten wert, die anderen politischen Opportunisten eine Ausstellung widmen, ohne diese doch bitte etwas näher zu hinterfragen. Was sind die Worte regionalpolitischer Entscheidungsträger wert, die davon schwadronieren, dass „in einer zeitzeugenlosen Zeit der Kampf gegen Faschismus und Gewaltbereitschaft ein oberstes Gebot der demokratischen Politik“ sei, die aktive Umsetzung dieses Gebots aber ansonsten nirgends bei ihnen zu beobachten ist. Karl Flanner hat gemacht und getan, wo andere nur Worthülsen anzubieten hatten und haben.

 

Karl Flanner ist nun leider verstorben, aber der heutige Neofaschismus als verlängerter Arm des Großkapitals ist es nicht. Im Gegenteil, er wächst. Er fordert tagtäglich seine Opfer, weniger (aber auch) in der ihn gebärenden so genannten „westlichen Wertegemeinschaft“ (eine verlogene Eigendeklaration), dafür um so mehr in vielen anderen bedauernswerten Ländern, welche in das kapitalistische System hineingeputscht und gebombt werden. Faschismus ist nicht irgendetwas, was man nicht sehen und nicht greifen kann, was anonym ist. Die Täter und ihre krakenhaften Strukturen einschließlich ihrer zahlreichen medialen Schreibtischtäter können erkannt und benannt werden, so wie es Karl Flanner in seiner Zeit konnte. Aber genau das geschieht hier nicht.

 

Ruhe in Frieden, Karl, aber wir anderen sollten endlich etwas unternehmen.

 

Das Begräbnis findet am 13. Juni um 14.30 Uhr in Wr. Neustadt statt.

 

 

 

Sonntag
09
Juni 2013

Keine Filmkritik: 3096 (Teil 1,0)

 

Weiter mit jenen Teil der Vernehmungsprotokolle der Natascha Ka., die Peter P. von den Grünen auf seiner Homepage veröffentlicht hat.

 

3. September 2006

Die fünfte Einvernahme beginnt um 9.10 Uhr. Nach wie vor interessieren sich die SOKO-Beamten vor allem für die Beziehung zwischen Täter und Opfer. Sie wollen wissen, wie groß Ka.s Angst vor Priklopil war – und ob diese Angst das Haupthindernis für eine Flucht bei den Gelegenheiten, bei denen sie gemeinsam das Haus verließen, waren.

Ka. gibt einleitend eine Erklärung ab:

Ich möchte zur gestrigen Niederschrift sowohl zur geschilderten Situation am Hochkar als auch bei der Verkehrskontrolle ergänzend angeben: Ich habe nie gewusst, was er macht, ob er mich zerfleischt oder andere verletzt. Ich stand unter permanentem Druck von ihm.

Frage: War diese Angst begründet dadurch dass Wolfgang Priklopil eine Waffe (Schusswaffe, Messer etc.) bei sich hatte?

Antwort: Nein. Er hatte nie eine Waffe bei sich, er war aber unberechenbar, ich hatte zum Beispiel Angst, dass er mich würgen könnte. Er hatte mich ja auch mit dem Umbringen mehrmals bedroht. Ich konnte mir keine fehlgeschlagenen Fluchtversuche leisten, ich hatte Angst, dass er mich für immer unten einsperrt oder noch schlechter behandelt. (8)

Wieder verzichten die SOKO-Beamten auf Fragen zu möglichen Mittätern. Die Vernehmung wird um 10.50 beendet. Und wieder halten die Beamten im Einsatzprotokoll fest: „keine neuen Erkenntnisse“ (9)

 

Bei der sechsten Befragung am 7. September 2006 wollten die Beamten wissen, ob Natascha Ka. (auch) im Ausland gewesen sei (nein) und mit welchen Fahrzeugen sie mit Wolfgang Priklopil unterwegs gewesen sei (roter BMW, der alte und der neue Bus).

 

 

15. September 2006

Bei der siebenten und letzten Vernehmung fragen die SOKO-Beamten nach einigen Namen.

Frage: Im Mobiltelefon von Wolfgang Priklopil ist im Letztrufnummernspeicher ein gewisser H. Ernst (11) gespeichert. Die Telefonnummer ist jedoch auf eine H. Hedwig angemeldet.

Antwort: Der Name Ernst H. sagt mir nichts.

Frage: Es gibt eine Eintragung von Wolfgang Priklopil, wo Schifahren mit Christian – 16.3.2005 – eingetragen ist.

Antwort: Es muss nicht sein, dass er mit Christian Schifahren gegangen ist. Er hat von einem Christian gesprochen, aber den Nachnamen weiß ich nicht. Ich habe außer dem Priklopil, dem H. und den Nachbarn keine anderen Personen gesehen.

Frage: Auf einem im Haus sichergestellten Videoband ist Wolfgang Priklopil mit einer zweiten Person beim Schifahren zu sehen. Ein Vergleich mit vorliegenden Bildern ergab eine Übereinstimmung mit Rudolf H.. Sind Ihnen diese Aufnahmen bekannt und war eventuell noch jemand dabei?

Antwort: Das Video ist mir bekannt, er wollte damit zeigen, wie es in dieser Gegend mit dem Schifahren aussieht. Er dürfte nur mit Rudolf H. Schifahren gewesen sein. (12)

Dann wechseln die Beamten das Thema und fragen

• zu Priklopils Versuchen, sämtliche Spuren von Ka. im Verlies zu vermeiden
• zu Priklopils Mutter
• zur Einrichtung des Verlieses
• zu Geschenken
• und zu Zeitungsausschnitten, die Kampusch privat sammelte.

Gegen Ende der letzten Vernehmung fragen die Beamten zum ersten Mal nach einem Motiv.

Frage: Was sagte er Ihnen zum Motiv der Entführung bzw. wie er sich das Leben mit Ihnen weiter vorstellte?

Antwort: Zum Motiv hat er je nach Stimmung gesagt, dass ich ihm gehöre und dass er schon immer eine Familie haben wollte. Er hätte mir auch eine neue Identität besorgt.

Um 13.15 ist die siebente und letzte Vernehmung nach zwei Stunden zu Ende. Im Laufe der Vernehmungen haben die Beamten einiges erfahren:

1. Während der Entführung hat es Kontakt zu einer dritten Person gegeben.
2. Der Keller war nicht als Gefängnis vorbereitet.
3. Der Täter suchte mit seinem Opfer fünf Adressen nicht nur in Wien-Donaustadt sondern auch in den Bezirken 15, 16 und 17 auf.

Stillfriedplatz, Bergsteiggasse, Hollergasse, Stralehnergasse, Rugierstrasse – die Beamten fragen bis zum Schluss nicht nach. Ka. war zumindest in den Wohnungen in der Hollergasse, in der Bergsteiggasse und in der Stralehnergasse. In welchem Haus mit welcher Hausnummer, in welcher Wohnung waren sie? Was haben Ka. und Priklopil dort getan? Wann waren sie dort? Wem gehören die Wohnungen? Hatte Priklopil Schlüssel oder wurde ihnen geöffnet? Wie vermied Priklopil, dass Ka. bei den Ausflügen Spuren hinterließ? Und: Warum ging Priklopil, der schon bei Ka.s Besuchen im Haus nur wenige Meter vom Verlies entfernt Angst vor dem Hinterlassen von Spuren hatte, das Risiko von Wohnungsbesuchen auf der anderen Seite von Wien ein?

21. September 2006

„Auf Befragung gebe ich an, dass das Verfahren gegen Wolfgang Priklopil am 21.9.2006 infolge Todes des Tatverdächtigen von mir beendet wurde.“(1) Staatsanwalt Kronawetter schließt den Akt. Die Ermittlungen gegen Wolfgang Priklopil sind beendet. Aber ein zweites Verfahren ist unter derselben Gerichtszahl noch offen: das Verfahren gegen unbekannte Täter.
22. September 2006

„Im Einvernehmen mit dem behördlichen Leiter der SOKO Ka., Mag. OR Erich Z., wird die Anzeige mit heutigem Tage an die Staatsanwaltschaft Wien und an das Landesgericht für Strafsachen Wien abgefertigt.“(2)

Die SOKO hat ihre Ermittlungen abgeschlossen und berichtet der Staatsanwaltschaft. Schon der Beginn der „Darstellung der Tat“ erweckt einen irreführenden Eindruck:

„Wolfgang Priklopil zerrte Natascha Ka. in seinen gegenüber der `Hundewiese´ abgestellten und auf ihn polizeilich zugelassenen Kombinationskraftwagen der Marke Mercedes Benz 100 D-L, weiß lackiert (Originalkennzeichen W 13150L) auf welchem bisher unbekannte manipulierte Kennzeichen montiert waren. Er nötigte sie durch gefährliche Drohungen zur Unterlassung ihrer Gegenwehr. Unmittelbar danach verbrachte Wolfgang Priklopil mit seinem Fahrzeug Natascha Ka., die er in eine Decke einhüllte und hinter dem Fahrersitz auf den Boden legte, vom Entführungsort zu seinem Anwesen nach Straßhof/Nordbahn, Heinestraße 60. In diesem Einfamilienhaus sperrte Wolfgang Priklopil das von ihm entführte Mädchen in einen vorbereiteten Raum („Verließ“), welches [er] bereits Jahre zuvor von ihm unter seiner Garage neben der Montagegrube angelegt hatte.“ (3)

Dieser erste Teil der Darstellung steht in klaren Widerspruch zur Ka.s Aussage. In ihrer ersten Einvernahme hat Ka. berichtet, dass

• sie „stundenlang“ durch dicht besiedeltes Gebiet im Zentrum des 22. Bezirks gefahren wurde;
• der Entführer für sein Opfer weder Toilettesachen noch Matratze und Polster vorbereitet hatte;
• das Verlies Anfang März nicht geheizt war und ein alter Ölradiator provisorisch aufgestellt werden musste;
• Ka. in ihrer ersten Einvernahme zumindest zweimal auf weitere Täter hingewiesen hatte.

Dann beschreiben die Beamten die Zeit der Gefangenschaft:

„Ab ca. Herbst 1998 durfte Natascha Ka. unter ständiger Aufsicht durch Wolfgang Priklopil in unregelmäßigen Abständen ihr „Verließ“ verlassen und im Haus Arbeiten verrichten sowie ihre Körperreinigung durchführen. Dabei war das Haus stets durch verschiedene elektronische Vorrichtungen gesichert…“ (4)

Die Ausflüge, die regelmäßigen gemeinsamen Einkäufe und die gemeinsame Arbeit in den vier Wohnungen lassen die Beamten unerwähnt. Alles, was das Bild von der Gefangenen, die dem Einzeltäter bei der ersten Gelegenheit entflieht, stört, kommt in der „Darstellung der Tat“ nicht vor.

Erst am Ende der Anzeige fassen die Beamten die Erstaussage von Ka. und die Aussagen der Augenzeugen zusammen. In die „Darstellung der Tat“ gehen die Hinweise nicht ein.

Die dargestellten Spuren führen zum toten Einzeltäter. Die anderen Spuren werden nicht weiter verfolgt. Weitere Täter oder Mitwisser sind politisch nicht erwünscht. Damit ist der Fall für die SOKO Ka. erledigt.

 

15. November 2006

Staatsanwalt Kronawetter stellt auch das Verfahren gegen „unbekannte Täter“ ein (14). Trotz der Hinweise auf Mitwisser und einen zweiten Täter hat es keinen einzigen Ermittlungsschritt in diese Richtung gegeben. Die Politische Abteilung der Staatsanwaltschaft funktioniert wie gewohnt. Sie will nur wissen, was sie wissen soll. Der Akt „Ka.“ ist damit geschlossen.

 

Soweit die vom Nationalratsabgeordneten Peter P. veröffentlichten Auszüge sowie dessen (gekürzte) Kommentare dazu.

 

Dem gibt es nichts hinzuzufügen. Nachdem später noch weitere „Merkwürdigkeiten“, „Nachlässigkeiten“, „Pannen“ usw. öffentlich wurden, sollte Peter P. öffentlich fragen, ob wir hier in Österreich die schlechteste Polizei der Welt hätten.

 

Darüber ließe sich diskutieren. Allerdings gab es in der Vergangenheit wie auch in der Gegenwart eine Reihe von anderen Fällen, wo die Polizeiarbeit als auffällig schlampig und inkompetent dagestanden ist. Und schließlich Teile eines ganz anderen Hintergrunds sichtbar wurden. Wo ist also der Unterschied zwischen Inkompetenz, Fahrlässigkeit, wo der Unterschied zum Vorsatz?

Es lohnt sich ein weiterer Blick. Wie immer.

 

 

Dienstag
04
Juni 2013

Bedürftig – 16. Kandidat: Selknam K.

 

Als wir kürzlich um 8.00 Uhr unsere Redaktionsstube öffneten, stand bereits ein Mensch vor der Tür. Er fragte uns nach Herrn Bieglmaier und wir antworteten ihm, dass dieser sich im Außendienst bei den Bedürftigen befände. Der Mann sagte uns, dass er in eben dieser Angelegenheit zu uns gekommen sei. Und so baten wir ihn ins Büro.

 

Kollegen fragten hinter vorgehaltener Hand, was denn das für ein Vogel sei. Oberflächlich betrachtet, sah er auch ein wenig anders aus, aber was bedeutete das schon? Er stellte sich uns als Herr Selknam K. vor.

Selknam wer?

 

 

Herr K. erklärte uns, dass er ein Nachfahre der letzten Feuerland-Indios sei. Zumindest halb, denn zuletzt hatte noch sein Vater aus Eberau, Süd-Burgenland, mitgemischt. Nun sei er Österreicher kroatischer-indianischer Herkunft.

 

Wir fragten ihn, was er von uns, von der Bedürftigen-Redaktion erwarte. Beistand, erwiderte Herr Selknam K., ganz viel Beistand sogar, denn er befand sich auf der Flucht vor der Polizei.

 

Herr K. machte uns neugierig, das wollten wir nun genauer wissen. Hatten wir es mit einem Justizopfer zu tun?

 

Und so erzählte uns Herr Selknam K. seine kurze Geschichte. Jahrelang habe er mitansehen müssen, wie burgenländische Siedler um seine kleine Hütte herum ihre Häuser bewohnt und die Wege benutzt hatten. Jahrelang habe er nichts gesagt. Aber seitdem ihm klargeworden war, dass er nicht nur Österreicher, sondern auch Europäer war, sei er hinausgegangen und habe auf die Siedler geschossen. Er habe auch seine Freunde dazu ermutigt, auf die Siedler zu schießen und ihnen 100,- Euro pro Kopf versprochen. Aber dann sei die Polizei erschienen und er habe flüchten müssen.

 

Wir in der Redaktion waren entsetzt. Nur 100,- Euro! Ist ein Menschenleben nicht mehr wert? Herr Selknam K. rechtfertigte sich mit dem Schicksal seiner Vorfahren in Feuerland, auch wenn er nun die Seiten getauscht haben wollte. Dámals waren die immigrierten Europäer in die Wälder und in die Dörfer Feuerlands gezogen, um dort alles zu erschießen, was nur irgendwie nach Indio ausgesehen hatte, nicht nur wegen mehr Räumlichkeit und Platz für Schafe, sondern vor allem wegen den ausgesetzten 1 Pfund Sterling pro Indioleiche.

 

Kniend, 1. von links: Die Ururururururgroßmutter von Selknam K.

 

Wir konnten leider nicht behaupten, dass diese Zeiten der Vergangenheit angehören, denn Herr Selknam K. hätte sich ja durchaus für 10,- Dollar am Tag von den Amerikanern, Israelis oder Saudis und Katarer anmieten lassen können, um Libyer, Syrer, Libanesen, Iraker, Iraner und einfach nur Afrikaner schiessen zu gehen. Aber das hatte er sich nun verbaut, denn wir mussten ihn anschließend der Polizei übergeben.

 

Als kleine Geste küren wir den Herrn Selknam K. dennoch – oder erst recht – wegen seiner bemitleidenswerten Amoral und Rechtsauffassung zum Bedürftigen der Woche. Und sollte er jemals aus dem Gefängnis entlassen werden, bekommt er die Chance zur Resozialisierung bei der Jahreswahl der Bedürftigen.

 

Donnerstag
30
Mai 2013

Keine Filmkritik: 3096 (Teil 0,9)

 

 

Der parlamentarische Untersuchungsausschusses hatte in dieser Zeit die selben ihm zur Verfügung stehenden Materialien bearbeitet und Befragungen durchgeführt. Der Befund war in etwa gleich, wurde allerdings anders bewertet.

Beonders Peter P. von den Grünen zeigte sich über die Ansicht der Evaluierungskommission empört, dass es keine parteipolitische Einflussnahme gegeben habe. Anhand von Materialien sollte er auf seiner Homepage aufzeigen, warum er das anders sah.

Was den Fall selbst betraf, so strich P. die Aussage der Entführungszeuging Ischtar A. sowie die in den ersten Vernehmungen gemachten Aussagen von Natascha Ka. heraus, was ganz eindeutig auf Mittäter oder zumindest Mitwisser hindeutete.

 

Peter P.


Peter P. veröffentlichte auf seiner Homepage Teile der ansonsten gesperrten Vernehmungsprotokolle mit Natascha Ka. Hier konnte jeder Interessierte sich selbst davon überzeugen, dass die Ermittlungsbeamten der SOKO Burgenland sich offenbar für die Möglichkeit weiterer Täter/Mitwisser nicht interessierten. Keine gezielten Fragen in diese Richtung, keine Fragen in Richtung Ernst H. und die Mutter von Priklopil, warum sie die im Haus herumliegenden Kleidungsstücke, Schuhe, Barbiehaus usw. nicht gesehen haben (wollen), keine Frage zur Wohnung in der Wiener Hollergasse, die Priklopil hatte vermieten wollen. Mit der Aussage der einzigen Entführungszeugin Ischtar A. wird Natascha Ka. nicht behelligt. Technische Details des Kellers (Versteck/“Verlies) und die Suche nach einem internen Informationsleck schienen wichtiger.

 

Bei der vierten Vernehmung der Natascha Ka. am 2. September 2006 kam es dann zu interessanten Informationen.

Hier der Auszug des Protokolls (Quelle: Homepage von Peter P.):

 

Frage: Ist Ihnen eine weitere Wohnung im 22. Bezirk bekannt?

Offensichtlich wollen sie wissen, in welchen Wohnungen sich Kampusch vor ihrer Entführung aufgehalten hat. Kampusch antwortet:

„Mir sind Adressen am Stillfriedplatz, in der Bergsteiggasse, Hollergasse, Strahlenergasse und Rugiergasse bekannt.“

Die SOKO-Beamten kommen nicht auf die Idee, dass sie von Kampusch gerade auf Wohnungen, die sie gemeinsam mit Priklopil aufgesucht hat, hingewiesen worden sind. Sie fragen nicht nach und wechseln das Thema.

Frage: Wissen Sie, ob Wolfgang Priklopil außer den vorhandenen Rechnungen, Kalendern usw. weitere persönliche Aufzeichnungen, etwa in Tagebuchform, hat?

Antwort: Ich weiß, dass er keine hat. Ich habe ihn danach gefragt, aber er hat gesagt, dass ihm Eintragungen in den Kalender reichen, um sein Leben zu dokumentieren.

Dann wird die Einvernahme unterbrochen. Nach der Pause wollen die Polizisten wissen, wo Kampusch mit ihrem Entführer war: „Wie Sie bereits in einem Vorgespräch erwähnt haben, mussten Sie mit Wolfgang Priklopil bei verschiedenen Anlässen das Haus verlassen. Wo waren Sie?“

Kampusch beginnt wieder mit den Wohnungen: „Ich war in Wien in der Hollergasse, Bergsteiggasse, Strahlenergasse.“ Dann schildert sie das Zusammentreffen mit den Polizisten und wird noch genauer: „Im Februar oder März dieses Jahres gegen 10:00 Uhr, in den Tagen bevor wir das Fenster in der Hollergasse eingebaut haben, wurden wir auf der Fahrt in der Breitenleerstraße, dort wo die Baustelle ist, von einem Verkehrspolizisten angehalten[…]“

Es gibt keinen Zweifel: Kampusch erzählt, wie sie gemeinsam mit ihrem Entführer eine Wohnung renoviert hat. Aber die Beamten haben keine weiteren Fragen. Sie protokollieren und vermerken: „Ende der Vernehmung: 11:05 Uhr“.

Der Stillfriedplatz befindet sich in Ottakring, dem 16. Wiener Bezirk. Die Bergsteiggasse liegt in Hernals, dem 17. Bezirk. In Rudolfsheim-Fünfhaus, dem 15. Bezirk, liegt die Hollergasse. Die „Strahlenergasse“ heißt Stralehnergasse und befindet sich in der Donaustadt, im 22. Bezirk. Die „Rugiergasse“ findet sich als Rugierstrasse ebenfalls in Kampuschs Heimatbezirk Donaustadt.

Wenn die SOKO-Beamten nach den Hausnummern fragen und ins Grundbuch schauen, werden sie feststellen: Die Häuser und die Wohnungen gehören zwei Personen: Wolfgang Priklopil und Ernst H. Aber die Beamten fragen nicht nach. Sie stehen vor einem wertvollen Hinweis. Aber sie sehen ihn nicht.

Ein anderes Dokument zeigt, dass der Hinweis längst nicht mehr zu übersehen ist. Schon am Abend der gelungenen Flucht, am 23. August 2006, hat Untersuchungsrichter Michael Tolstiuk eine Hausdurchsuchung angeordnet: „In der Strafsache gegen Priklopil […] ergeht an die Beamten des LKA Burgenland der Befehl, die von Wolfgang Priklopil verwendeten Räumlichkeiten in

– 1220 Wien, Rugierstraße 30/7/2
– 2231 Strasshof/Nordbahn, Heinestraße 60
– 1160 Wien, Stillfriedgasse 6/3

zu durchsuchen…“ (2)

Der Richter beschreibt seinen Verdacht: Priklopil „steht im Verdacht, im März 1998 die damals zehnjährige Natascha Kampusch entführt und bis zum 23.8.2006 an einer der oben angeführten Räumlichkeiten gefangen gehalten zu haben.“ (3)

Zehn Tage später sitzen die Beamten des LKA-Burgenland vor Kampusch und vergessen, sie zu den Wohnungen zu befragen.

Erst in ihren Einvernahmen im Jahr 2009 wird Kampusch von den Kriminalpolizisten weiter befragt. Sie gibt an, was sie ihrem Anwalt schon im Jahr 2006 erzählt hat: Natascha Kampusch hat gemeinsam mit Priklopil die Wohnungen des Priklopil-Freundes Ernst H. renoviert. Kampusch hat für Priklopil und H. gearbeitet.

In der Tagesmeldung im Einsatzprotokoll vermerken die Beamten: „keine neuen Erkenntnisse“ . (4)

Aber immer wieder stoßen die SOKO-Beamten auf die Wohnungen. In Priklopils Haus in der Heinestraße 60 finden die Beamten zwei Kaufverträge:

• Kaufvertrag vom 6.7.2001 über die Wohnung „1160 Wien, Stillfriedplatz 6/Top 3″ lautend auf Wolfgang Priklopil
• Kaufvertrag vom 13.12.2005 über die Wohnung „1150 Wien, Hollergasse 47/13″ lautend auf Wolfgang Priklopil.

Prikopil hat gemeinsam mit H. die Firma „RESAN Bauges.m.b.H.“ besessen. Seit der Gründung am 16.11.1994 hielt Priklopil 24 Prozent der Anteile. Die restlichen 76 Prozent hielt H. Seit dem 25. März 1999 war Priklopil bei der Firma Resan beschäftigt.

Am 28. August 2006 beschreibt Rudolf H. in seiner Einvernahme die gemeinsamen Hausprojekte von Ernst H. und Priklopil:

Frage: Wissen Sie, welche Wohnobjekte Wolfgang PRIKLOPIL in den letzten 15 Jahren erworben bzw. angemietet hatte?

Antwort: Ich weiss, dass er mit Ernst H. einmal in der Eduard-Süß-Gasse in Wien einen Dachausbau durchgeführt hat. Danach haben sie in der Bergsteiggasse in Wien 17 ein Haus angekauft, diesen saniert und dann Wohnungen teilweise vermietet und verkauft. Mir ist auch bekannt, dass er am Stilfriedplatz eine Eigentumswohnung gekauft, saniert und dann vermietet hat. Auch hat Wolfgang gemeinsam mit Ernst H. in der Stralehnergasse Wien 22 ein altes Haus gekauft. Dieses wollten sie anfänglich renovieren. Bis jetzt ist dies aber nicht geschehen. Angeblich wollten sie es wieder verkaufen. In letzter Zeit kaufte Wolfgang auch in der Nähe der Stadthalle eine kleine Wohnung. Diese wollte er ebenfalls sanieren und vermieten. (5)

Ernst H. nennt weitere Details:

Frage: Wie Sie bereits bei der ersten Einvernahme angaben, haben Sie gemeinsam mit Wolfgang PRIKLOPIL in den letzten Jahren auch mit Immobilien gehandelt. Um welche Projekte ging es dabei konkret? Welche Häuser oder Wohnungen gehören Wolfgang PRIKLOPIL, zu welchen Objekten hätte er heute noch einen Zugang?

Antwort: Seit Anfang der 90er Jahre haben Wolfgang und ich alte Häuser und Wohnungen angekauft, diese in Eigenregie saniert und danach weiterverkauft.

Ich kann mich an folgende Objekte erinnern:

Anfang 1990: Dachgeschoßausbau in 1150 Wien, Eduard Süß Gasse 1/Top 30: Die Wohnung wurde nach Fertigstellung etwa 1993 verkauft. Wolfgang hatte keinen Zugang mehr.

1994: Bergsteiggasse 54, Wien 17: Althaussanierung und Dachgeschossausbau, Sicher hat Wolfgang für die öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten noch die Schlüssel (d.h. Haupteingang, Kellerabgang und Einfahrtsgittertor).

Ca 1996: Stralehnergasse 4, 1220 Wien: Das Objekt – ein äußerst baufälliges einstöckiges Haus – ist mein alleiniges Eigentum. Wolfgang besitzt jedoch einen Haustorschlüssel zu diesem Gebäude. Mit der Sanierung wurde noch nicht begonnen. Er werde das Haus wahrscheinlich wieder verkaufen.

Ca 2001: Stillfriedplatz 1, Tür 3, 1160 Wien: Ankauf und Sanierung einer Eigentumswohnung, ca 23m2. Die Wohnung ist seit ca. 4 Jahre an eine Frau S. vermietet. Das Projekt haben wir gemeinsam gemacht. Im Grundbuch ist aber Wolfgang Priklopil als Alleineigentümer eingetragen. Vermutlich dürfte er von diesem Objekt noch den Haustorschlüssel haben. Für die Wohnung selbst hat er mit Sicherheit keinen Schlüssel. Ein Kellerabteil ist für diese Wohnung keines vorhanden.

Ende 2005: Hollergasse 47/13, 1150 Wien: Alleiniger Ankauf und Sanierung einer Eigentumswohnung, ca.11m2 groß, durch Wolfgang PRIKLOPIL. Die Wohnung wurde erst unlängst fertig gestellt und wurde – wie bereits eingangs erwähnt – bereits zur Vermietung inseriert. Haustor- und Wohnungsschlüssel müsste Wolfgang haben. Auch müsste er einen Schlüssel zum dazugehörenden Kellerabteil besitzen. Alleineigentümer ist Wolfgang PRIKLOPIL. (6)

Am 27. September 2006 weist Ernst H. die SOKO-Beamten ein weiteres Mal auf Priklopil und die Firma Resan hin.

Frage: Wie ist Priklopil noch an der Bergsteiggasse beteiligt? Wie viel hat er bei der Firma RESAN monatlich verdient, welche Gegenleistungen hat er dafür erbracht?

Antwort: In der Bergsteiggasse ist Wolfgang nicht mehr beteiligt. Angemeldet war Wolfgang bei der Firma RESAN mit Euro 100 und bei der Hausverwaltung in der Bergsteiggasse mit Euro 160 als Hausbesorger. (7)

Schon am 2. September hat Natascha Kampusch bei ihrer Einvernahme angegeben: „Ich war in Wien in der Hollergasse, Bergsteiggasse, Strahlenergasse.“ Die nächsten Fragen liegen auf der Hand: Was hat Kampusch in der Bergsteiggasse getan? Wie oft war sie dort? Und: Hat Ernst H. gewusst, dass Kampusch für ihn in der Bergsteiggasse und in anderen Wohnungen arbeitet? Aber auch hier verzichten die Beamten auf jede Nachfrage.

(Fortsetzung folgt)

Montag
27
Mai 2013

Keine Filmkritik: 3096 (Teil 0,8)

 

 

Die Evaluierungskommission unter die Leitung von Univ.-Dr. Dr. Ludwig A. wühlte sich durch die vorhandenen Akten und legte am 24. Februar und am 9. Mai 2008 zwei Zwischenberichte vor. Ludwig A. sah es allerdings als prolematisch an, dass ein ganzer Teil der Vernehmungsprotokolle gesperrt waren und die Kommission die Akten von der Staatsanwaltschaft und des Untersuchungsrichters nicht erhalten hatte. Das gleiche galt übrigens auch für den palamentarischen Untersuchungsausschuss.

Ludwig A.


Den Abschlußbericht der Evaluierung legte die Kommission am 9. Juni 2008 vor. In dieser war die Kommission zu dem Schluss gekommen, dass es lediglich zu einer unvollständigen Aufarbeitung gekommen ist und nicht alle kriminaltaktischen und kriminalpolizeilichen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden“. Neben diversen Mängeln auf kommunikativer Ebene und bei der Medienarbeit wurde unter anderem festgestellt, dass die Ermittlungen „um und rund um Wolfgang Priklopil“ erheblich durch Personen erschwert wurde, welche eine Art „Schutzschirm“ um das Opfer Natascha Ka. gebildet hätten – mit Vorgaben, Einschränkungen und Restriktionen. Und womit die Führungsspitze der Polizei und die Vertreter der Justiz offenbar überfordert gewesen wären.

Angemerkt wurde bei dieser Gelegenheit ein erstaunlicher Umstand:

„Hochkarätige Rechtsexperten aus dem Bereich des Medienrechtes ließen sich bereits

wenige Tage nach dem Auftauchen der Natascha Ka. von ihr vertraglich

bevollmächtigen (ein Umstand, der bei einem derart nachhaltig traumatisierten

Tatopfer jedenfalls verwunderlich ist).“

Und:

„Das Zusammentreffen“ zuvor genannter diverser widriger „Umstände, gepaart mit zum Teil bemerkenswert anlehnungsgeneigten und verunsichert agierenden Führungskräften,

führte schlussendlich zu einer Situation, in der teilweise geliehene Autorität bzw. Angst, persönliche Befindlichkeiten sowie die Frage nach „einem Schuldigen“ vordergründiger erschienen, als die fachlich saubere Aufarbeitung der eigentlichen Fragestellung:

Was ist in den Wochen vor dem Verschwinden von Natascha Ka. bzw. in all den Jahren danach eigentlich wirklich passiert und wer hat dabei welche Rolle gespielt?“

 

Die Kommission ging dieser eigenen Frage allerdings nicht nach. Sie stellte fest, dass zumindest die Ermittlungen im Familien- und Bekanntenkreis des Opfers umfassend geführt worden sind, wenn es auch nicht möglich gewesen war, „einen Verdacht gegen eine bestimmte Person herauszuarbeiten.“

 

Gemeint war hier offenbar ein konkreter Verdacht mit entsprechenden Indizien, denn mit Ernst H. hatte es sehr wohl einen sogar naheliegenden Verdächtigen gegeben. Inwieweit in diese Richtung tatsächlich ermittelt wurde, war eine ganze andere Frage, auf welche die Kommission allerdings nicht einging.

 

In Sachen Mehrtäter/Mitwisser merkte die Evaluierungskommission aber an, dass von Anfang an mit der Aussage der Zeugin Ischtar A. ein Hinweis in Richtung Mehrtäterschaft vorgelegen habe. „Auch die in der Strafanzeige vom 22. September 2006 enthaltenen Angaben von Natascha Ka. über das Verhalten des Wolfgang PRIKLOPIL während des

Aufenthaltes in einem Waldstück bei Strasshof, vor der Anfahrt zum Wohnhaus in der Heinestraße 60, wiesen in diese Richtung.“

 

Zu der „Polizeipanne“ notierte die Kommission „Mängel“ bei der ersten Überprüfung von Priklopil und dessen Fahrzeug durch zwei Polizisten vor Ort. Diese hätten nur das Fahrzeug überprüft und gleichzeitig nicht einmal von der Personenbeschreibung der einzigen Entführungszeugin Kenntnis gehabt. Da Priklopil damals kein Alibi vorweisen konnte, hatte somit seine Täterschaft nicht ausgeschlossen werden können. Andere Fahrzeughalter wären sogar gründlicher überprüft worden als Priklopil.

 

Der zweite Hinweis auf einen möglichen Täter, der vom Hundeführer Rev.Insp. P. stammte, wurde von der Kommission als ein überprüfungswerter „und nicht umfassend abgearbeiteter“ Hinweis gewertet, die bloße Nachfrage am Gendarmerieposten und das Ablegen des Aktenvermerks aber nur als „nicht sachgerecht“ bezeichnet. Die Kommission nannte hier als mögliche Ursachen die Unterbesetzung des Ermittlerteams, das Fehlen eines Informationsmanagements, der wenig systemathische Umgang mit Überprüfungsergebnissen und dem Fehlen eines „Vier-Augen-Prinzips“.

 

Die Kommission stellte demnach durchaus „Ermittlungsfehler“ fest und bezeichnete den Hinweis des Polizeihundeführers P. als eine „nicht adäquat behandelte Mitteilung“, reduzierte diesen aber erstaunlicherweise als einen Hinweis „vom Hörensagen“. Denn, und das merkte der Endbericht eben nicht an, es hatte sich hierbei um die fatalen „Ermittlungsfehler“ gehandelt. Stattdessen behauptete die Kommission, dass „eine im Verlies versteckte Person auch im Fall einer Hausdurchsuchung mit Einsatz eines Diensthundes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht gefunden“ worden wäre.

 

Diese Behauptung ist allerdings nicht mehr als eine Behauptung – und Unsinn. Eine Beurteilung der Situation in Priklopils Haus in Strasshof im Jahre 1998 konnte 2008 nicht seriös erfolgen und ebensowenig die Qualität der Suchhunde beurteilt werden. Eher ist das Gegenteil der Fall, weil der Keller unter der Garage natürlich mit einer Luftzufuhr ausgestattet war. Mit dieser Behauptung durch die Evaluierungskommission wurde stattdessen der Umstand kaschiert, dass es nie zu einem Einsatz von Suchhunden gekommen war.

 

Die Polizeiführung, Staatsanwaltschaft und der Untersuchungsrichter hatten bereits am 25. August 2006 vereinbart bzw. angeordnet, dass alle am Tatort in Strasshof vorgefundenen schriftlichen Aufzeichnungen und auch Videos von Natascha Ka. zu versiegeln und dem Untersuchungsrichter G. zu überbringen waren. „Die Vernehmungsprotokolle mit Natascha Ka. wurden ab diesem Zeitpunkt „vereinbarungs- bzw. auftragsgemäß“ (so ein Besprechungsprotokoll) ausschließlich im Original angefertigt und unverzüglich dem Untersuchungsrichter vorgelegt.“

Begründet wurde dies mit dem Opferschutz wie auch mit der Absicht, die unerlaubte Weitergabe von Informationen und Inhalten zu verhindern. Die Polizei behielt keine Kopien auf Papier oder in Dateiform zurück.

Diese Maßnahme wurde von der Evaluierungskommission als „nicht zulässig“ bezeichnet. Selbstredend konnte dies kaum förderlich für die polizeilichen Ermittlungen gewesen sein.

 

Die Kommission hatte bekanntlich auch nicht die in einem Gerichtstresor verwahrten Niederschriften mit den Aussagen von Natascha Ka. erhalten, ebensowenig wie eine Reihe von Beweismitteln, die bereits ausgefolgt waren. Dies war auch ein weiterer Kritikpunkt.

„Unter derartig gravierenden Rahmenbedingungen war es zwar kinderpsychologisch nahe liegend und schlüssig, die Tatermittlungen ab dem Wiederauftauchen der Natascha Ka. im Sinn der umgehend wirksamen Einflussnahmen von Experten so fortzusetzen, dass der inzwischen zur jungen Frau herangewachsenen Tatbetroffenen höchstmöglicher Schutz ihrer Intimsphäre gewährt wird. Was sich allerdings nach Lage des Falles als nicht nachvollziehbar darstellt, ist, dass eine Reihe von Gegenständen, die im Wohnhaus (samt ‚Verlies’) des (infolge Selbstmords nicht mehr greifbaren) bekannten Täters sichergestellt worden waren, in Befolgung der ersichtlich von der Opferbegleitung ausgegangenen Impulse an das Tatopfer ausgefolgt wurden, ohne zuvor ihren objektiven und von einer zusätzlichen seelischen Opferbelastung weitestgehend unabhängigen Beweiswert (insbesondere durch Anfertigungvon Kopien) zu sichern. Im Einzelnen handelte es sich dabei um Videokassetten, ein Tagebuch, Bekleidung, beschriebene Zettel und diverses anderes persönliches Eigentum der Natascha Ka., dessen Beschaffenheit bzw. Inhalt nunmehr größtenteils ebenso wenig verifizierbar ist, wie die zeitlichen und sonstigen Modalitäten der Einbringung in das so genannte ‚Verlies’. Ein derartiger Umgang mit relevantem Beweismaterial ist bei einer eigenständigen Wahrnehmung der entsprechenden Ermittlungsverantwortung (in Richtung auch zumindest eines weiteren Tatkomplizen) mit einem umfassenden Verständnis sämtlicher Aspekte wirksamen Opferschutzes schwer in Einklang zu bringen.“

 

Warum war dem so? Das Kritisieren von den aufgezeigten Vorgängen war das eine, die Eruierung der Ursache eine andere. Um die ging es aber nicht. Denn insgesamt kam Ludwig A. als Vorsitzender der Evaluierungskommission zwar zu dem Schluss, dass da einiges bei der Polizeiarbeit schief gegangen war und anderes nicht mehr – mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln – zu rekonstruieren sei, es aber zu keiner Vertuschung gekommen sei.

„Die Anregung von Dr. H zu einer Evaluierung der Polizeiarbeit in der Sache Ka. ist von der Ressortleitung nie ausdrücklich abgelehnt worden; es ging ausschließlich um die Wahl des Zeitpunktes sowie um das durchführende Organ. Es lag ein konkreter Vorschlag dahingehend vor, die Evaluierung der Sicherheitsakademie zu übertragen; dieser Vorschlag ist vom Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit ausdrücklich gebilligt worden. Es besteht kein Grund für die Annahme, dass in rechtswidriger Weise Fehler bei der Polizeiarbeit unterdrückt werden sollten.

Ebenso wenig besteht Grund für die Annahme, dass ein „Hinausschieben“ der Evaluierung auf Wunsch der damaligen Ressortchefin im Hinblick auf die Wahlen zum Nationalrat im Oktober 2006 stattgefunden habe. Zwar hat Dr. H im Rahmen seiner Darstellung vor der Evaluierungskommission den damaligen Brigadier T. die Äußerung in den Mund gelegt, „die Chefin wolle keinen Skandal vor den Wahlen“. Ob die damalige Bundesministerin für Inneres eine solche Äußerung wirklich gemacht hat, wird sich heute mit Sicherheit nicht mehr feststellen lassen.

Weder in dem einen noch in dem anderen Fall handelt es sich aber um eine „Vertuschung“, weil es ausschließlich um den Zeitpunkt der Evaluierung und nicht um deren Stattfinden als solches gegangen ist.“

 

Die Kommission sah auch das Überlassen der Vernehmungsprotokolle an Staatsanwaltschaft und Untersuchungsrichter ohne Zurückbehaltung von Kopien bei der Polizei zwar als kritikwürdig an, erkannte hier aber keine „rechtswidrige Vertuschung“. Begründet wurde dies allerdings mit dem merkwürdigen Argument, dass Staatsanwalt und Untersuchungsrichter informiert gewesen wären.

 

 

Auch bei dem nicht weiter bearbeiteten Hinweis des Polizei-Hundeführers erkannte die Evaluierungskommission keinen Akt der Vertuschung oder eine politische Einflussnahme. Nur in einem Fall „(Besuch von zwei Ermittlungsbeamten beim Hundeführer RevInsp. P samt divergierender Aussagen über den entsprechenden Auftrag) könnte eine solche Annahme nicht ausgeschlossen sein. Ein parteipolitisches Motiv ist auch in diesem Fall nicht zu erkennen.“

 

 

Der Bericht endet mit den Kapiteln „Bewertung“ und „Empfehlungen“. Die „Bewertung“ endet mit folgendem Fazit:

„Die Kommission gewann den Eindruck, dass die sachdienlichen Ermittlungsansätze im vorliegenden Fall bisher nicht vollständig ausgeschöpft wurden. Dazu wurde in Anknüpfung an den Evaluierungsauftrag des Bundesministers für Inneres unmittelbarer Kontakt zur Oberstaatsanwaltschaft Wien hergestellt.“

 

Die Veröffentlichung des Abschlussberichtes rief in den Medien wie zuvor eine Reaktion hervor. Ermittlungsfehler der Polizei waren nun offiziell, auch Umstände, die auf Mittäter oder Mitwisser hinwiesen, und andere Merkwürdigkeiten in dem Fall. Obwohl der Bericht insgesamt doch sehr wohlwollend formuliert worden war, forcierte er das Mißtrauen in der Öffentlichkeit erneut.

Diese Öffentlichkeit wusste zu diesem Zeitpunkt noch nichts von der am 30. April 2008 getroffenen Vereinbarung zwischen der Evaluierungskommission und der „SOKO Ka.“ zugunsten weiterer Ermittlungen. Denn der Staatsanwalt Hans-Peter Kr., welcher bereits 2006 den Fall als abgeschlossen erklärt hatte, ignorierte Vereinbarung und Befunde. Er berichtete am 11. Juli 2008 an das Innenministerium, dass angeblich keine weiteren Ermittlungen nötig wären.


Dienstag
21
Mai 2013

Zwickl – Gausch / Ein Kommentar

 

Die ÖVP wartete kürzlich mit einem „Eklat“, einem „Skandal“ auf, einer wunderschönen kleinkarierte Geschichte, die auch im Sommerloch überflüssig gewesen wäre.

 

Über das städtische Jugendreferat, Megafon und SUB wurde das Jugendforum vorerst als Pilotprojekt iniiiert. Angesprochen werden sollten ausdrücklich „Jugendliche“ im Alter von 15 bis immerhin 25 Jahren.

 

Der dort am 7. Mai erschienenen Frau Annegret Zwickl, 29 Jahre alt oder jung, wurde durch den Veranstalter, dem Jugenbeauftragten Christoph Gausch, die Teilnahme an der Veranstaltung verwehrt. Wegen ihrem (zu hohen) Alter.

 

Die Empörung folgte regional-medial prompt. Aus Betroffenheit und verletzter Eitelkeit wurde öffentlich ob dieser Zurückweisung geweint, aber auch ein politisches Motiv unterstellt. Frau Zwickl verstieg sich sogar in der Vermutung, dass die Veranstalter „etwas zu verbergen“ hätten oder gar – mit ihrer öffentlichen Veranstaltung und ihrer permanenten Öffentlichkeitsarbeit – die Öffentlichkeit „fürchten“ würden. Auch die Feststellung, dass Christoph Gausch ebenfalls älter als 25 Jahre ist, war ein Griff ins Nichts, denn Gausch war und ist der Veranstalter. Nicht Zwickl.

 

Mit derartigen Aussagen hätte Frau Zwickl durchaus an der Veranstaltung teilnehmen können, ihr tatsächliches Alter wäre gemäß ihrer eigenen Einstufung sicherlich nurmehr sekundär von Interesse gewesen. Denn wer kennt eigentlich die Frau Zwickl? Wer ist das?

 

Frau Zwickl ist als ÖVP-Gemeinderätin bei der Stadt registriert, ihr Anliegen soll die Jugend sein. Das macht nichts. Da aber auch derartiges „Getöse“ parteipolitisch konstruiert wird, köterten und bellten die Parteifreunde gleich mit. Aus Solidarität natürlich. Die Forderung allerdings, deswegen gleich die Planstelle des Jugendbeauftragten ersatzlos zu streichen, zeugt von einer bestimmten Geisteshaltung: Kommunikation? Nein, Danke. Gute Jugendarbeit? Uninteressant. Aktive Auseinandersetzungen, Geist und Kultur? Was ist das? Luxus? Und wie ist das mit dem Arbeitsauftrag. Habe ich diese Leute schon gesehen?

Christoph Gausch

 

Man kann Christoph Gausch mögen oder nicht, aber er leistet meiner Ansicht nach eine nachweislich gute Arbeit, was allerdings wahrscheinlich nur möglich, weil es eben nicht nur ein „Arbeitsauftrag“ ist, sondern für ihn eine Berufung. Das ist etwas, was den meisten anderen vollkommen abgeht – der Sinn. Die Frage, wer hier in der Stadt überflüssig ist, sollten die Forderer der ersatzlosen Streichung vielleicht auf sich selbst reflektieren. Die Antwort wird überraschend klar ausfallen.

 

Wie wichtig vernünftige Jugendarbeit ist, zeigt in diesem Fall die städtische Politriege aller dort befindlichen Parteien. Seien wir doch ehrlich: möchten Sie, werte Leser, so werden wie die dort?

 

Bleibt nur die Frage: was sollte der Mist?

 

Hier der Link zum Artikel in der NÖN:

http://www.noen.at/lokales/noe-uebersicht/wiener-neustadt/aktuell/Zwickl-gegen-Gausch;art2575,461895

 

Nachtrag:

Megafon bzw. Christoph Gausch und Stefan Kumnig haben eine Stellungsnahme zu diesem Theater veröffentlicht, die doch sehr erhellend ist.

Hier der Link:

http://megafon-wn.at/megafon-stellungnahme-zum-non-kw20-artikel-zwickl-gegen-gausch/

Interessant zu lesen, wenn da jemand, mit einem „politischen“ Jugendanliegen deklariert, selbsteinladend auf einer Jugendveranstaltung erscheint und noch angibt, (nur) in Vertretung des politischen Chefs dort zu sein, von dem derlei (tatsächliche) Ambitionen (Jugend und Kultur) gänzlich unbekannt sind.

Aber was soll’s, die NÖN ist ja nicht unabhängig, das wissen wir alle.

 

 

Donnerstag
16
Mai 2013

Keine Filmkritik: 3096 (Teil 0,7)

 

Der Direktor des BKA, Herwig H., wurde nach internen Querelen am 3. Februar 2008, von seinem Amt abberufen. H. ging anschließend an die die Presse und nannte als Grund für diese Ablösung, dass er sich nicht korrumpieren ließe. Seine Vorwürfe richteten sich gegen die politische Einflußnahme durch das Innenministerium in den Fällen der BAWAG-Affäre und eben auch in dem Fall Ka., wo beim Letzteren die Aufarbeitung der Ermittlungsfehler abgewürgt worden wären.

Herwig H.


Herwig H. wurde Anfang November 2008 suspendiert, nachdem er in einem Interiew angegeben habe, dass das BKA zu einer Außenstelle der ÖVP verkommen sei und man ihm gedroht habe, weiter gegen ihn vorzugehen, sollte er nicht seinen Mund halten.

 

Innenminister Günther P. setzte am 10. Februar 2008 eine Evaluierungskommission unter der Leitung des Juristen und Ex-Verfassungsgerichtshof-Präsidenten Ludwig A. ein. Hier ging es aber weniger um das Neuaufrollen des Falles Ka., als um „Erkenntnisse über strukturelle Verbesserungsmöglichkeiten sowie den Bedarf an der Entwicklung neuer kriminalistischer Methoden, Techniken etc. zu gewinnen.“

 

Ludwig A.

 

Am 3. März 2008 wurde zudem ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss gebildet, welche das mögliche polizeiliche Versagen und vor allem die politische Vertuschung untersuchen sollte. Nach Peter P., Parlamentsabgeordneter der Grünen, war der Arbeitsuftrag des Untersuchungsausschusses folgender:

 

  1. Aufklärung, ob es bei den kriminalpolizeilichen und gerichtlichen Ermittlungen im Fall Ka. zu schweren Fehlern gekommen ist;

  2. Aufklärung, ob vor der Nationalratswahl 2006 vom Kabinett der Bundesministerin für Inneres (KBM) dem damaligen Direktor des BKA die Weisung erteilt wurde, die Vernehmung eines Zeugen im Zusammenhang mit dem Fall Ka. vor den Wahlen zu unterlassen;

  3. Aufklärung, ob im weiteren die Evaluierung der kriminalpolizeilichen Ermittlungen im Fall Ka. verhindert und schwere Fehler bei den Ermittlungen vertuscht oder gar nicht untersucht wurden.“

 

 

Mitte April 2008 druckten zwei sogenannte „Gratis“-Blätter, von denen das eine allerdings das andere als Quelle nannte, eine ganze Reihe von Details aus den polizeilichen Vernehmungsakten ab, die bis dahin nie veröffentlicht worden waren. Diese skandalöse Weitergabe von Informationen wurde zum Fall für die Staatsanwaltschaft, ÖVP und SPÖ beschuldigten sich gegenseitig, für das „Leck“ verantwortlich zu sein. Die Materialien hatten dem Innen- und dem Justizministerium sowie der Evaluierungskommission und Untersuchungsausschuss zur Verfügung gestanden. Den beiden letzteren allerdings nur eingeschränkt, weil ihnen die Ermittlungsakten zumindest teilweise gesperrt waren.

Dies ging allerdings genau so unter wie die fragwürdige Qualität der beiden Blätter, die zumindest keinen Hehl daraus machen, mangels Journalismus und Ethik zum Zeitungsdreck zu gehören.

Der Medienkonsument erfuhr anschließend auch über weitere Medien, was da alles kolportiert wurde. Dazu gehörten die ersten Aussagen von Natascha Ka. gegenüber einer Polizistin („Kann keine Namen nennen“ auf die Frage nach Mittätern), gegenüber dem ersten Arzt („Wie lange lässt sich eine Schwangerschaft nachweisen?“), wobei hier der Personenschutz verletzt wurde. (Die Polizei soll allerdings dieser Frage nach einem möglichen Kind vergeblich – nachgegangen sein).

Das Gratis-Blatt berichtete auch von Datenträgern mit Bildern von Natascha Ka, die im Haus von Priklopil gefunden worden sein sollen, doch wäre eine Auswertung auf Anweisung „von oben“ abgebrochen worden. Auch sollen die aufgefundenen persönlichen Gegenstände des Entführungsopfers ohne Auswertung versiegelt worden sein.

Ansonsten wurde vor allem Klatsch geboten. Proklopil habe in der Wiener S/M-Szene verkehrt, es wurden Vorlieben des Entführers angegeben, auch, dass das Opfer Natascha Ka. habe angeblich mitmachen müssen. Für die Befriedigung niedrigster Sensationslust wurde dazu noch ein angeblicher „Zeuge“ angeführt, der seine Frau im Jahre 2001 an Priklopil „vermietet“ haben soll, die anschließend verängstigt und übel zugerichtet zurückgekommen sei.

 

Nachprüfbar war das alles nicht, zumindest nicht für die Leserschaft. Aber es verstärkte in der Bevölkerung das Mißtrauen gegenüber der Polizei und der Justiz, auch wenn in diesem Fall nichts Greifbares abgedruckt worden war, was diesen Kriminalfall aufklären könnte.

Einzig Ludwig A., der Leiter der Evaluierungskommission, bestätigte wenige Tage später öffentlich, dass es diese Aussage von Natascha Ka. gegenüber einer Polizistin, sie könne keine Namen nennen, tatsächlich gegeben habe. Und das war es, was die Einzeltäter-Theorie der Behörden nicht unterstützte. Das fasste der Medienkonsument auch so auf.

Von Natascha Ka. kam wiederum die öffentliche Stellungnahme, dass es keinen Hinweis auf Mittäter gebe und Priklopil auch „laut Psychogramm der Ermittlungsbehörden ein Einzeltäter“ gewesen sei.

Für den Untersuchungsausschuss mag dies etwas „schräg“ geklungen haben, denn nach den vorliegenden Ausschnitten der ersten Vernehmungsprotokolle mit Natascha Ka. war sie es selbst gewesen, welche 2006 Hinweise (indirekt, aber massiv) auf Mittäter oder zumindest Mitwisser geliefert hatte. Und das war definitiv nicht anders zu verstehen. Da konnte es eher um die Frage gehen, welche Erklärung nun die richtige war und warum es überhaupt eine falsche gab.

Während der Anwalt von Natascha Ka., Gerald G., rechtliche Schritte erhob und Klage gegen dieses „Gratis“-Blatt einreichte, unter anderem wegen Urheberrechtsverletzung bei den Fotos, während in der Bevölkerung über den Fall wieder spekuliert wurde, brachte ein Magazin einen Bericht über Natascha Ka. mit hübscher Bilderstrecke, um die Leserschaft zu informieren, wie es ihr so ging. Zufällig arbeitete Gerald G., der Anwalt, auch für dieses Magazin.

Gerald G.


Und das war der Punkt. Natascha Ka. und ihr Team aus Medienberatern, Psychologen und Anwälten hielten das Thema selbst am Kochen, mit Sendungen, Interviews und Artikeln, taten aber brüskiert, wenn auch andere Medienvertreter ihren Anteil vom „Kuchen“ zu sichern versuchten – dann freilich mit nicht abgesprochenen und genehmigten Materialien und „Informationen“.

Als dann auch noch die Nachricht an die Öffentlichkeit gelangte, dass Natascha Ka. das Haus von Priklopil erworben hatte, sah es um die „Öffentliche Meinung“ nicht mehr gut aus.


Montag
13
Mai 2013

Bedürftig – 15. Kandidat: Dorothea N.

 

Bernd Bieglmaier erhielt unlängst einen Anruf von einer Frau, die sich am Telefon als Dorothea N. vorstellte. Sie war der Annahme, dass Bedürftige gesucht werden würden. Bernd Bieglmaier musste dem allerdings widersprechen, denn die Bedürftigen brauchten nicht gesucht werden. Sie fanden sich von selbst. So wie Dorothea N.

 

Bernd Bieglmaier verabredete sich mit der werten Dame im Park. Dort wartete er am vereinbarten Treffpunkt bei einer Parkbank allerdings vergeblich. Glaubte er. Denn dann vernahm er hinter sich auf der Parkbank einen Laut. Hallo?

Bernd Bieglmaier drehte sich um, doch war dort nichts. Er sah nichts.

 

 

Ich bin ein Nichts, sagte leise eine weibliche Stimme.

Wer? Wo? Bernd Bieglmaier war irritiert. Er musste schließlich seine Augen ganz weit aufreißen, bis er die Gestalt bemerkte. Zuerst schemenhaft, dann langsam klarer. Diese Gestalt saß auf der Parkbank. Seit einer halben Stunde schon, wie Frau Dorothea N. anmerkte.

 

Bernd Bieglmaier war höflich genug, um sich sofort zu entschuldigen. Macht ja nichts, ich bin ja nichts, meinte Frau N. mit schwacher Stimme. Und dann plapperte sie auch schon drauflos.

 


Die Leute würden sie nicht bemerken und über sie hinwegsteigen, berichtete Frau Dorothea N. Man würde sie nicht sehen und nicht hören, als wäre sie nicht vorhanden, und dies nicht nur, wenn sie nichts reden würde. Und wenn sie doch etwas sagen würde, dann wäre es angeblich nichtssagend. Nun würde sie sich auch wie ein Nichts fühlen, beteuerte Frau N., um dann – für Bernd Bieglmaier nichtsahnend – in Nullkommanichts in Tränen auszubrechen.

 

Das war nicht schön, befand Bernd Bieglmaier, aber warum war dem so? Bernd Bieglmaier begab sich auf Spurensuche, wenn auch kaum Spuren vorhanden waren in dem Nichts. Er versuchte es mit Fragestellungen, um dem Sachverhalt näher zu kommen.

Es waren Fragen nach Gründen der Nichtwahrnehmung, Fragen nach der Bedeutung der eigenen Worte und des eigenen Handelns. Oder auch nach Bedeutungslosigkeit derselben.

 

Es zeigte sich allerdings, dass Frau Dorothea N. über gewisse Mängel der Selbsteinschätzung verfügte und an Ursachenforschung wenig interessiert schien. Mitnichten, nichts von alledem sei wahr, nichts dergleichen richtig, knallte sie Bernd Bieglmaier um die Ohren. Nein, nie nicht und ganz und gar nicht, behauptete sie, weils sie nichts damit zu tun habe. Sie beschuldigte unseren Bedürftigen-Reporter daraufhin, viel Lärm um Nichts zu machen, bezeichnete sein Bemühen als Null und Nichtig, um anschließend zu erklären, dass sie weiter dazu nichts mehr zu sagen hätte, denn sie wolle sich nicht vernichten lassen.

 

Nichtdestotrotz zeigte sich Bernd Bieglmaier bemüht, gemäß dem Spruch: nichts ist alles, bis aber auch er die andere Hälfte dieses Spruches anerkennen musste: alles ist nichts. Und Frau Dorothea N. vereinte alles an Nichts in sich, das volle Nichts quasi, welches auch noch verteidigt wurde. Wie sich schlußendlich sogar Bernd Bieglmaier im Nichts befand, gefühlt natürlich, löste sich Frau Dorothea N. vor seinen Augen im Nichts auf.

 

Da ihre Bewerbung bei den Bedürftigen dennoch Gültigkeit hat, sehen wir uns von der Bedürftigen-Redaktion zur folgenden Stellungnahme veranlasst:

 

Liebe Frau Dorothea N.!

So geht das natürlich ganz und gar nicht. Wir wissen um den Umstand, dass es eine Kunst ist, aus Nichts etwas zu machen, so wie es depremierend sein kann, aus dem Vollen des eigenen Geistes und der Mittel heraus nur nichts zustandezubringen. Aber so einfach mir nichts Dir nichts unseren verdienten Bedürftigen-Reporter Bernd Bieglmaier in seinem Bemühen um Aufklärung stehen zu lassen, hinterlässt außer dem Nichts gar nichts weiter. Dass im größten Teil unserer Gesellschaft die Mentalität des „Nichts-hören“ und „Nichts-sehen“ vorherrschend ist, ergibt sich ein „Nicht-wissen“ zwangsläufig, weswegen es auch nichts zu sagen geben kann – von nichtiger Polemik abgesehen.

Damit das Bisherige nicht für Nichts und wieder Nichts ist, möchten wir ihnen vorschlagen, es mal alternativ mit einem kraftvollen „Alles oder Nichts“ zu versuchen, schließlich soll ja nichts unmöglich sein. Denn wie sagt man so schön: von nichts kommt nichts, nicht wahr?

Liebe Frau Dorothea N., geben Sie sich einen Ruck, denn es nützt ja nichts. (Das „Nichtsnutz“ verkniffen wir uns). Sie müssen ganz dringend an sich arbeiten. Wir unterstützen Sie dabei. Und küren Sie zur Bedürftigen der Woche.

 

 

 

Sonntag
05
Mai 2013

Keine Filmkritik: 3096 (Teil 0,6)

 

 

Das Innenministerium hatte zwar den Fall Ka. über die von ihr angewiesene Staatsanwaltschaft abschließen lassen, doch blieb das Thema in den Medien präsent. Dies hatte mehrere Ursachen.

 

Bereits im Jahr der Entführung, 1998, hatte sich der Detektiv Walter P. um den Vermisstenfall bemüht und seine Ergebnisse 2004 sogar in einem Buch pupliziert. Nach dem Auftauchen von Natascha Ka. brachte er (zusammen mit Ludwig K.) im Oktober 2006 eine Pressemitteilung heraus, in welcher er darlegte, wie schlecht und fahrlässig das Wiener Sicherheitsbüro wie auch die Soko Burgenland seinerzeit „ermittelt“ hatte. Alibi-Handlungen und zwingende Schritte, die unterlassen worden waren, hätten Priklopil als Entführer sofort identifizieren können. Es wäre mglich gewesen, das entführte Kind, Natascha Ka., bereits nach wenigen Wochen zu befreien.

 

Walter P.

 

Der Detektiv Walter P. hatte damit voll ins „Schwarze“ getroffen. Er lag auch richtig damit, dass das Umfeld von Ka. wie von Priklopil nicht eingehend untersucht worden war. P. stellte außerdem fragend dar, wie die Entführung durch einen vermeintlichen Einzeltäter alleine bewältigt worden sein soll. Nur mit einer Drohnung, nachdem er das Mädchen in das Fahrzeug gesetzt hatte?

 

Etwas heikel wurde es allerdings mit seiner Annahme, dass sich Mitwisser oder gar Mittäter im Umfeld der Mutter, Brigitta S., befunden haben könnten. P. verdächtigte Frau S. und fand Zeugen, die eine Bekanntschaft zwischen Frau S. und Priklopil nahelegen könnten.

 

In diese Kerbe schlug auch Martin W., Familienrichter aus Fürstenfeld, der sich gleichfalls in diesem Fall engagiert und nachgeforscht hatte. Er beschuldigte die Mutter von Natascha Ka. der Mittäterschaft oder Mitwisserschaft. Doch ließen sich aus vermeintlichen Indizien keine Beweise konstruieren, wobei ihm auch Pendelgänger bei der Suche nicht zu helfen vermochten.

 

Brigitta S. hatte immer angegeben, Wolfgang Priklopil nie gesehen zu haben. Eine Zeugin gab allerdings an, Priklopil einmal in ihrem Geschäft gesehen zu haben. Und ein Nachbar von ihr behauptete, dass Priklopil mehrmals bei ihr ein und aus gegangen wäre. Diese Aussage wurde von dem Zeugen vor Gericht allerdings widerrufen, doch konnte sich jemand anders sehr wohl an diese Aussage erinnern.

 

Aber auch der ehemalige Leiter des Wiener Sicherheitsbüros, Max E., hatte sich gewundert, dass Ludwig K. sich um die Aufklärung des Falles engagiert habe, die Mutter dagegen sich – seiner Erinnerung nach – nie erkundigt habe. Genährt wurde dieser Verdacht auch von dem Umstand, dass sich Natascha K. damals, an jenem 2. März 1998, zum ersten Male alleine, d.h. ohne Begleitung der Mutter, auf dem Weg zur Schule befunden hatte. Dies auch noch zu einer unplanmäßig verspäteten Zeit. Und es dann prompt zu dieser Entführung kam.

 

Die Familienverhältisse innerhalb der Familie Ka. wurden ebenfalls mehrmals thematisiert. Der Mutter, Brigitta S., wurde ein loser Umgang mit anderen Männern unterstellt, dem Vater, Ludwig Ko., wiederum zu loser Umgang mit Alkohol. Und von deren Tochter Natascha Ka. wussten Zeugen zu berichten, dass sie mit langen Striemen auf dem Rücken und von Ohrfeigen geröteten Wangen gesehen worden wäre.

Tatsächlich suchte Natascha Ka. nach ihrem Auftauchen wochenlang nicht den Kontakt zu ihren Eltern. Mit ihrer Mutter sollte sie dann nur telefonieren.

Die Eltern besaßen keine rechtliche Handhabe mehr über ihre Tochter, weil diese mittlerweile mit 18 Jahren volljährig geworden war.

 

Ludwig Ko.

 

Am 29. November 2006, also nur zwei Wochen nach der offiziellen Einstellung der Ermittlungen, erhob nun auch der seit August 2006 pensionierte Max E., der oben bereits erwähnte ehemalige Chef des Wiener Sicherheitsbüros öffentlich schwere Vorwürfe gegenüber den Eltern der Natascha Ka. Den Vater bezeichnete er als Alkoholiker und die Mutter als eine Frau mit mehreren Männerbekanntschaften. Dies war von E. ein unverschämtes Verhalten, welches aber mit einer neuen Information kaschiert wurde. Die Kripo hatte nämlich damals im Zuge ihrer Ermittlungen Familienfotos entdeckt, wo auf zwei Bildern eine so gut wie nackte zehnjährige Natascha Ka. mit Stiefeln und Reitgerte oder nackt mit einer Pelzstola entdeckt. Einige dieser Fotos wären von der Schwester von Brigitta S. gemacht worden, aus Jux, wie versichert worden sei. Die Polizei habe diese „Baby-Doll“-Posen aber als nicht normal eingestuft und einen sexuellen Mißbrauch innerhalb der Familie vermutet. Allerdings konnte nie der Nachweis für diese Vermutung ermittelt werden.

 

Max E.

 

Die Motivation von Max E., über die Medien Anschuldigungen auszusprechen, ohne Beweise in den Händen zu halten, bleibt mysteriös. Hier kann die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass es sich um ein Ablenkungsmanöver gehandelt haben mag, denn es war sein Büro gewesen, welches 1998 so unglaublich geschlampt hatte.

 

Die Mutter von Natascha Ka, Brigitta S., brachte 2007 ein Buch heraus, in welchem sie mehr schlecht als recht über ihre Zeit zu berichten mühte. Auch der pensionierte Familienrichter Martin W. Legte ein kleines Büchlein auf, in welchem er u.a. Darlegte, warum er nicht nur von wenigstens zwei Tätern ausging, sondern auch die Mutter von Natascha Ka. als Beteiligte in dem Entführungsfall ansah.


Brigitta S.


Er wurde später von Brigitta S. im November 2008 ein zweites Mal (nach einem ersten Verfahren im Jahre 2000) erfolgreich auf Unterlassung geklagt und verlor dieses Verfahren auch in zweiter Instanz 2009.

 

 

Eine andere Ursache, warum dieses Thema und somit dieser Fall in den Medien präsent blieb, war in der Person Natascha Ka. selbst begründet, die sich mit Interviews und öffentlichen Auftritten ins Gedächtnis der Medienkonsumenten verankerte.

 

Als Medienkonsument stand und steht man den Geschehnissen und den unter das Volk gebrachte Informationen und Desinfornationen ohnehin außen vor. Nichts genaues weiß man nicht.

 

Was aber in weiten Teilen der österreichischen Bevölkerung aufstieß, war die Außendarstellung der jungen Frau Ka. Sie hatte ihre Geschichte und sie erzählte von dieser. So weit, so gut. Für die Wahrnehmung des Publikums blieb es allerdings auch nur eine Geschichte, weil Natascha Ka. zwar die Erzählerin war, ansonsten aber nichts darauf hindeutete, dass es auch so, wie berichtet, gewesen sein könnte. Weder sah die junge Dame danach aus, als wenn sie inmitten ihrer Wachstumsphase im Alter von 10 Jahren in ein Kellerloch gesteckt worden wäre – für ganze 8 Jahre, noch sprach sie entsprechend. Somit blieb ein ganzer Teil der Gaubwürdigkeit auf der Strecke, obwohl es damals tatsächlich zu einer Entführung gekommen war. Dies war zumindest der Anfang ihrer Geschichte gewesen, aber das Ende vertrug sich damit nicht.

 

Entsprechend erwartungsfroh wurden durch die Medien kolportierte Informationen aufgenommen, die eine andere Seite dieser Geschichte andeuteten. Seien es nun ein Skiausflug mit dem Entführer, sei es eine Sichtung in dessen Garten durch die Nachbarn, sei es eine gemeinsame Fahrt zum Freund von Priklopil gewesen. Dies wiederum führte zu Spekulationen, inwieweit sich im Verlauf der Jahre zwischen Priklopil und seinem Opfer ein Vertrauensverhältnis entwickelt hatte. Es stellten sich auch Fragen wie jene nach der medizinischen Versorgung des Mädchens. War Natascha Ka. nie beim Zahnarzt gewesen? Viele Fragen blieben offen.

 

 

Freitag
26
April 2013

Keine Filmkritik: 3096 (Teil 0,5)

 

 

Wolfgang Priklopil wurde eingeäschert und beerdigt. Dies erledigte nicht seine Mutter, sondern die Schwester von Ernst H., die Frau Margit W. Priklopil wurde auch nicht bei seinem Vater bestattet, zu dem er bis zu dessen Tode ein gutes Verhältnis hatte, sondern neben dem Familiengrab von Margit W. „Aus Menschlichkeit“, wie Frau W. etwas später gegenüber der Polizei erwiderte. Und weil Priklopil schließlich der beste Freund ihres Bruders Ernst gewesen sei, der dies freilich zuvor anders dargestellt hatte.

Die Schwester von Ernst H. wurde erst am 27. September 2006 von der Polizei einvernommen. Sie erklärte, dass sie Priklopil kaum gekannt habe. Sie wusste nur zu berichten, dass Priklopil einmal eine (ihre) Wohnung über ihren Bruder Ernst H. renoviert habe und dass sie diesen Mann seit dem Kennenlernen nur noch ein einziges Mal gesehen hätte. Der Kontakt habe immer nur über ihren Bruder stattgefunden, zumal sie nie eine Telefonnummer von Priklopil besessen habe.

Margit W. hatte sich allerdings nicht nur um toten Entführerfreund gekümmert, sondern auch um dessen Geschäfte. Dafür hatte sie sich eine Vollmacht von der Mutter von Priklopil, Waltraud, ausstellen lassen. Im Zuge dessen wanderten dann zwei Priklopil-Eigentumswohnungen in den Besitz von Ernst H. über – für einen Spottpreis. Gezahlt wurde dieser allerdings nicht, sondern nur gegenverrechnet, weil Priklopil angeblich Schulden bei H. gehabt haben soll. Irgendeinen Nachweis dafür gab es aber nicht.

Nach und nach konnte die Polizei herausfinden, dass die Beziehungen zwischen der Familie Priklopil und jener von Ernst H. enger gewesen waren, als zuvor vom Letzteren dargestellt. Dazu gehörten nicht nur gemeinsame Ski-Urlaube. Zeugen sollen in etwa ausgesagt haben, dass man „sich den einen nicht ohne den anderen vorstellen“ könne.

Das Beziehungsgeflecht untereinander und hier besonders die Rolle von Margit W. wurde aber nicht genauer untersucht. Gegen Ernst H. wurde zwar als Verdächtiger ermittelt, aber auch nicht richtig, wie später noch deutlich werden sollte. Folglich fanden sich auch keine Anhaltspunkte, welche den Anfangsverdacht untermauert hätten.

 

Die Staatsanwaltschaft hatte die Weisung, die Ermittlungen einzustellen und den Fall Ka. als aufgeklärt zu den Akten zu legen. Demzufolge wurden die Hinweise nach möglichen Mitwissern (durch Ka. selbst) und auch nicht der Widerspruch zwischen Natascha Ka. und der Zeugin Ischtar A. weiter verfolgt. Die sieben Einvernahmeprotokolle von Ka. durch die Soko Burgenland wurden gesperrt. Ebenso wenig wurde der Frage nachgegangen, wie sich die Beziehung zwischen Priklopil und Natascha Ka. tatsächlich entwickelt hatte.

Fakt ist, dass Natascha Ka. von Wolfgang Priklopil entführt wurde, der von der zuverlässigen Zeugin Ischtar A. identifiziert werden konnte. Die genauen Umstände der Entführung sind ebenso ungeklärt wie die nachfolgenden Ereignisse. Ungeklärt und nicht bewiesen. Es wurde ja nicht einmal vor Gericht festgestellt, dass sich überhaupt eine Entführung ereignet hatte.


Der Staatsanwalt Hans-Peter Kr. stellte die Ermittlungen offiziell am 15. November 2006 ein und somit auch jene gegen „unbekannte Mittäter“. Auf der Pressekonferenz beim Bundeskriminalamt wurde erklärt, dass es sich bei Wolfgang Priklopil um einen Einzeltäter gehandelt habe, da sich Hinweise auf Komplizen nicht bestätigt hätten.


Von links: Staatsanwalt Hans-Peter Kr., Gerneralmajor Gerhard L. und Psychiater Max F. während der Pressekonferenz beim BKA.

 

 

Während Natascha Ka. abgeschirmt und von einem psychologischen Team um den Kinderpsychater Prof. Dr. Max H. F. betreut wurde, andererseits auch erste Interviews gegeben hatte, hatten die Massenmedien noch einige Nachrichten über das gebracht, was man über Priklopil und Natascha K. erfahren haben will. Da wurden Erkenntnisse über Priklopils Besuche im Rotlichtmilieu und Verbindungen zu einer S/M-Szene kolportiert, aber auch gleichzeitig wüst spekuliert.

Hier wurde behauptet, dort wurde bestritten und überall geredet.

Noch im September 2006 kam die Meldung in den Medien heraus, dass Priklopil mit Natascha Ka. im vorherigen Winter zum Skifahren am Hochkar gewesen war. Deren Anwälte bemühten sich darum, dass Entführungsopfer vor einer Bloßstellung zu beschützen. Es habe keine Fluchtmöglichkeit gegeben, erklärte der Anwalt L. Priklopil habe gedroht, jeden umzubringen, denen sie sich Natascha Ka. anvertrauen würde. Außerdem habe sie bei einem Toilettengang das Pech gehabt, dass eine andere anwesende Frau kein Deutsch verstanden habe. Der Anwalt L. erklärte gegenüber Medienvertretern:

„Wenn man sich selber mal eine Sekunde in die Lage hineinversetzt, dann versteht man, dass ein Ausflug eines Anfängers auf den Skiern, nicht wirklich geeignet ist, um die einzige Fluchtmöglichkeit seines Lebens zu beginnen.“

Diese Stellungnahme war absolut nachvollziehbar. Wer konnte sich schon in die Lage von Natascha Ka. hineinversetzen? Wer konnte hier sich ein Urteil anmaßen?

Zu einem Problem wurde es erst später, als sich die Geschichte der Natascha Ka. zu sehr auf das „Verlies“ konzentrierte, aber auf der anderen Seite Lebensumstände bekannt wurden, welche diese Reduzierung nicht mehr zuließen. Somit wurde es eine tragische Frage der Glaubwürdigkeit, einerseits von einer einzigen Fluchtgelegenheit zu reden, andererseits später mit einem Dutzend derer konfrontiert zu werden.

 

Mittwoch
17
April 2013

Bedürftig – 14. Kandidat: Stefan R.

 

Unlängst erreichte uns ein Anruf eines besonders verzweifelten Menschen. Er stellte sich als Stefan R. vor und bat um ein dringendes Gespräch mit unserem Bedürftigen-Reporter Bernd Biegmaier. Man traf sich daraufhin unauffällig in einer unauffälligen Kneipe in einem unauffälligen Viertel.

Unauffällig schien auch das Anliegen des jungen Mannes, mit dem sich Bernd Bieglmaier konfrontiert sah. Stefan R. war jung, dunkelhäutig, knackig und gewitzt. Er hatte ein Jurastudium begonnen und trug große Ambitionen mit sich. Und doch hatte er ein Problem.

Denn vor vier Tagen war er noch hellhäutig gewesen, da hatte er noch zu den „Weißen“ gehört. Aber als er vor drei Tagen des Morgens aufgestanden war und sich hatte die Zähne putzen wollen, hatte ihn ein Blick in den Spiegel erstarren lassen. Die Haut war plötzlich dunkel und er selbst zu einem „Schwarzen“ geworden. Natürlich war er als Mensch, als Person immer noch derselbe, den die Menschen geschätzt, gemocht, auch geliebt hatten, doch wurde dies zum Teil aufgrund der neuen Äußerlichkeit nicht mehr erkannt.

Seine Freundin, so berichtete Stefan R., habe am Morgen lauter als er geschrien. Seine Eltern, die er daraufhin wegen der Aufklärung des Ereignisses angerufen habe, hätten ihn am Telefon nicht mehr erkannt und sich eine keine weitere Belästigung erbeten. Auf dem Weg zur Uni habe er im Bus zum ersten Mal alleine auf einem Platz gesessen. Trotzdem habe er mitanhören müssen, wie zwei alte Männer der Meinung gewesen waren, dass er doch maximal auf einen Stehplatz Anspruch hätte. Unangenehm sei auch die Erfahrung gewesen, so Stefan R. weiter, dass er am Bahnhof von zwei Polizisten aufgefordert worden war, seine Taschen umzudrehen. Sehr unsanft habe man ihn nach Drogen untersucht, obwohl er derartiges absolut ablehnte. Nachdem er auch noch vor der Uni von einem Werber wegen einer Obdachlosenzeitung angesprochen worden wäre, die er nicht kaufen, sondern zukünftig verkaufen sollte, habe es ihm gereicht. Er sei wieder nach Hause gefahren, aber nicht ohne eine weiteres Mal von anderen Polizisten durchsucht worden zu sein. Seitdem habe er bis zum heutigen Tag die Wohnung nicht mehr verlassen und er wisse nicht, was er noch tun könne.

Wir von der Bedürftigen-Redaktion wissen es auch nicht. Aber wir wissen um die Unmöglichkeit, gewisse gesellschaftliche Vorbehalte zu korrigieren. Besonders in Österreich. So können wir nur die Empfehlung aussprechen, das Jurastudium abzubrechen und Fußballer zu werden. Aber nicht in Italien natürlich. Da Herr Stefan uns gegenüber angab, dass er nicht Fußball spielen könne, bleibt somit nur eine kostspiele Rückoperation übrig, die sich seinerzeit nur der schwerreiche wie labile Michael Jackson hatte leisten können.

Mit der Wahl zum Bedürftigen der Woche hoffen wir von der Bedürftigen-Redaktion, dass Herr Stefan R. zumindest die theoretische Möglichkeit erhält, sich über diesen Wettbewerb der Bedürftigen in die Endausscheidungsrunde zu qualifizieren, um zu jenen Mitteln zu gelangen, die wenigstens den Erwerb der Bleichmittel ermöglichen. Wir wünschen Herrn R. viel Glück!


Mittwoch
03
April 2013

Keine Filmkritik: 3096 (Teil 0,4)

 

Während das ÖVP-Kabinett über das Innenministerium eingriff, um die Ermittlungspannen von 1998 unter den Teppich zu kehren und den Fall als „gelöst“ hinzustellen, ermittelte vorerst die Kriminalpolizei weiter. Wobei es wiederum zu schweren „Pannen“ kam, wie allerdings erst später öffentlich wurde.

Zumindest einer Mitwisserschaft verdächtigt war der Freund und Geschäftspartner von Priklopil, Ernst H. Dieser Mann war der einzige Freund von Priklopil gewesen, auch wenn dieser es auf eine Art von Bekanntschaft und Geschäftspartnerschaft zu reduzieren versuchte. Allerdings fand die Polizei heraus, dass es sehr wohl eine Reihe von privaten Berührungspunkten gegeben hatte. Sie hatten sich außerdem bereits seit der Jugendzeit gekannt und auch Geschäftsbeziehungen unterhalten. Priklopil hatte für H. gearbeitet und war auch Teilhaber von dessen Immobilienfirma gewesen. Sie hatten Wohnungen preiswert aufgekauft, renoviert und anschließend wieder für einen besseren Preis verkauft. Ernst H. war also nicht irgendjemand für Priklopil gewesen, sondern der einzig feststellbare Freund.

Nach der Flucht von Natascha Ka. hatte Priklopil ihn angerufen. Woraufhin er sich auch sofort auf den Weg gemacht hatte, um ihn zu treffen.

Für die Polizei stellte sich somit die Frage, inwieweit Ernst H. von der Entführung zumindest gewusst haben könnte, wenn er nicht sogar als Mittäter in Frage hätte kommen können. Denn sollte es Mittäter oder Mitwisser gegeben haben, wonach es ja Hinweise gab, wäre es logisch gewesen, wenn Priklopil nach dem Entgleiten der Situation eben diese informiert hätte.

Jetzt war Ernst H. auch noch der Mann, der die letzten Stunden mit Priklopil verbracht haben soll, er war der letzte, der ihn lebend gesehen hatte. Diese Geschichte und wie es sich angeblich abgespielt haben soll, beruhte wiederum nur einzig und allein auf der Aussage von Ernst H. Glaubwürdig war diese nicht. Allein schon wegen der langen Zeit der trauten Zweisamkeit. Hatte man etwa angeregt über eine Kette von Mega-Bauprojekten diskutiert?

Proklopil, möglicherweise in Panik und laut Überwachungskamera im Donauzentrum wenigstens nervs, dürfte andere Probleme empfunden haben, als stundenlang über – in dieser Situation – Belangloses zu reden. Von der Sinnhaftigkeit ganz zu schweigen, wenn er sich danach ohnehin hatte umbringen wollen.

So liegt der Verdacht nahe, dass dieses lange Gespräch mit Ernst H. eher der letzte Auslöser für Prilopil gewesen sein könnte, Selbstmord zu begehen.

Wenn es einer war.

 

Niemand außer Ernst H. weiß, worüber tatsächlich gesprochen wurde und was überhaupt in dieser Zeit geschah, da es keine Zeugen gibt. Fest steht nur, dass Priklopil später tot auf den Gleisen gefunden wurde. Übrigens noch immer ohne Geld und Telefon. Würde man der Aussage von H. glauben schenken, dass Proklopil gegen 20.00 Uhr aus seinem Wagen gestiegen sei, stellt sich zudem die Frage, wie der Entführer die weiteren 50 Minuten bis zu seinem Tod verbracht haben soll.

 

Nachbarn von Priklopil war Ernst H. durchaus bekannt, wie die Polizei ermittelte.

Zitat:

Wolfgang hat mir einmal erzählt, dass er bei einem Ernst H. als ´Mädchen für alles´ arbeiten würde… Mir hat er auch gesagt, dass er gemeinsam mit diesem Herrn H. alte Wohnungen und Häuser ankauft, diese renoviert und mit Gewinn weiterverkauft. Ein Haus, dieses befindet sich in Wien 17 in der Bergsteiggasse, habe ich etwa vor 4 bis 5 Jahren selbst gesehen.“

Die Nachbarn hatten auch unwissentlich Natascha Ka. gesehen, wenn auch erst im Juli 2006.

Zitat:

Dies war glaublich erst vorige Woche. Damals habe ich Wolfgang Vormittag die Tageszeitung gegeben. Die junge Frau stand neben ihm im Vorgarten. Gesprochen habe ich mit ihr nicht. Meinem Gatten hat Wolfgang einige Tage zuvor erzählt, dass diese Frau bei Ernst H. angestellt wäre und gelegentlich bei ihm im Haus aushilft. Mein Gatte hat sie aber auch zum ersten Mal im Juli 2006 gesehen.“

 

Zu einem unglaublichen Vorfall kam es dann, als nur einen Tag nach der Flucht von Frau Ka. und dem Tod ihres Entführers dessen Freund Ernst H. das Haus von Priklopil aufsuchte, wo gerade die Spurensicherung der Polizei ihrer Arbeit nachging. Ungeachtet dessen räumte H. mit einer bemerkenswerten Dreistigkeit eine Reihe von Gegenständen ein, wobei er behauptete, er handele sich um von ihm Geliehenes und dass er eine Vollmacht der Mutter von Priklopil dafür habe. Diese konnte es auf Anfrage durch Beamte zwar nicht bestätigen, doch spielt das keine Rolle. Die Polizei ließ ihn unglaublicherweise gewähren und mit nicht mehr nachprüfbaren Objekten davonfahren. Davon abgesehen, dass Ernst H. nun sogar live „unverfänglich“ eigene Spuren hinterlassen haben musste, konnten womöglich Beweise beiseite geschafft worden sein. Der Tatort musste jedenfalls als nachträglich manipuliert angesehen werden.

Danach fand die Polizei keinen tauglichen Computer mehr, nur ein altes Commodore-Gerät, während gleichzeitig entdeckt wurde, dass für Wolfgang Priklopil zwei IP-Nummern (zwei Internet-Anschlüsse) existierten.

Erst am 4. Oktober 2006 berichtete der Stern, dass die Polizei das Haus von Ernst H. durchsucht und mehrere Computer und Zubehör beschlagnahmt habe. Darunter soll sich auch ein Laptop befunden haben, von dem vermutet wurde, dass er Priklopil gehört haben könnte. Der Stern berichtete weiter, dass viele Dateien auf der Festplatte verschlüsselt seien und offenbar größere Datenmengen gelöscht worden wäre. Es würde versucht werden, diese zu rekonstruieren.

Gehört hat man nie wieder etwas davon.

 

Unterdessen hatte Ernst H. am 30. August 2006 eine eigene Pressekonferenz abgehalten. Während seine Schwester Margit W. als Pressesprecherin dort moderierte, las H. dort ausschließlich aus einem vorgefertigten Schriftstück vor, in welchem er über einige bestimmte Begebenheiten im Zusammenhang mit Priklopil berichtete. Er erzählte von mehreren Aufenthalten in Priklopils Haus, auch von Spengler-Arbeiten, wo ihm aber die Anwesenheit einer weiteren Person nicht aufgefallen sei. Gesehen habe er Natascha Ka. im Juli (2006) aber doch noch, ohne angeblich von ihrer Identität zu wissen. Priklopil habe sich einmal einen Anhänger von ihm ausborgen wollen und sei in Begleitung der jungen Frau erschienen. „Die junge Frau wirkte fröhlich, glücklich“, sagte Ernst H. den Reportern. Priklopil habe sie als eine Bekannte vorgestellt.

In Hinblick auf die offizielle Geschichte der Ereignisse mag es geradezu erstaunlich sein, dass Priklopil demnach ganz offen mit Natascha Ka. unterwegs gewesen sein soll. Und das nicht nur irgendwo, sondern bei seinem alten Bekannten, den guten Geschäftsfreund. Der zwar nach eigenem Bekunden erstaunt gewesen sein soll, aber nie das Mädchen zu einem Thema gemacht haben will. Auch erstaunlich. Bemerkenswert außerdem der von H. kolportierte Aspekt, dass Natascha Ka. nicht den Eindruck eines Entführungsopfers vermittelt hatte.

Mit dieser Aussage unterstützte H. durchaus die Wahrnehmung zahlloser Medienkonsumenten.

 

 

 

Donnerstag
28
März 2013

Keine Filmkritik: 3096 (Teil 0,3)

 

Am 23. August 2006 tauchte Natascha K. in Straßhof bei Wien auf, wo sie Nachbarn aufsuchte, welche die Polizei verständigten. Priklopil soll Ka. unterdessen zuerst gesucht, dann aber die Flucht ergriffen haben. Die Polizei leitete die Fahndung ein und fand Priklopil aber erst am Abend tot auf den Gleisen der Wiener S-Bahn im 2. Bezirk zwischen den Stationen Wien Nord und Traisengasse in Richtung Gänserndorf.

Die polizeilichen Ermittlungen ergaben, dass Priklopil ins Donauzentrum im 22. Bezirk gefahren war und dort sein Fahrzeug abgestellt hatte. Von hier hatte er vom dortigen Informationsstand aus (inmitten der Öffentlichkeit und unter den Linsen der Überwachungskameras) drei Telefonate geführt, von denen aber nur ein Gespräch bekannt ist. Priklopil hatte seinen Freund und Geschäftspartner Ernst H. angerufen und ihn unter dem Vorwand eines Notfalles gebeten, ihn von dort abzuholen. Er habe weder Geld noch Telefon.

Bei seiner ersten Einvernahme am 24. August 2006 erzählte Ernst H., wie er Priklopil vom Donauzentrum abgeholt habe und anschließend mit ihm stundenlang durch die Gegend gefahren sei. Priklopil habe ihm die Geschichte mit seiner angeblichen Flucht vor einer Polizeikontrolle im angetrunkenen Zustand erzählt, aber kein Wort über die Entführung und von Natascha Ka. rund sechs Stunden wären sie umhergefahren, wären einige Male an bestimmten Plätzen stehen geblieben und hätten geredet. Ansonsten aber nur über geschäftliche Belange. Danach, nach diesen besagten rund sechs Stunden, habe sich Priklopil in der Nähe des Praters, Dresdener Straße, absetzen lassen.

Etwas darauf war Wolfgang Priklopil tot.

 

Die Polizei begann also, ihre systemathischen Befragungen und Untersuchungen durchzuführen. In der Polizeispitze wurde allerdings schnell deutlich, dass der Behörde 1998 schwere Ermittlungsfehler unterlaufen waren. Priklopil war bereits bekannt gewesen, auch war man dem Hinweis des Polizeihundeführers nicht nachgegangen, ja, man hatte diesen nicht einmal einvernommen. Obwohl dieser von den gewissen Neigungen von Priklopil erzählt hatte. Durch die Tatzeugin Ischtar A. hatte sogar das Tatfahrzeug gefunden werden können. Der Chef des BKA, Herwig Haidinger, welcher den Grund für diese grobe Panne intern ermitteln wollte, wurde ausgebootet.

Auf der Pressekonferenz am 25. August 2006 erklärte der neben der damaligen Innenministerin Prokop sitzende Chef der Soko-Burgenland, Generalmajor Koch, dass Wolfgang Priklopil damals ein Alibi besessen habe. Das war gelogen, und Koch wusste es auch. Ganz abgesehen davon, dass es dummes Zeug ist, denn dann muss das Alibi keines gewesen sein oder Priklopil nicht der Entführer.

Wolfgang Priklopil war aber tatsächlich der Entführer, weil die Aussage von Natascha Ka. von der damaligen Zeugin Ischtar A. bestätigt wurde. Sie erkannte den Entführer Priklopil anhand von Fotos eindeutig wieder.

Die Polizeispitze bekam aus dem Innenministerium die Anweisung, die Panne zu vertuschen. 2006 war Wahljahr, man stand kurz vor der Nationalratswahl, und die ÖVP wollte sich unter den Augen der geifernden Medien offenbsichtlich keinen Skandal in ihrem Ressort erlauben.

Der Polizei-Hundeführer P. bekam am 29. August 2006 Besuch von zwei Beamten, aber nicht, um ihn endlich wegen seinem damaligen Hinweis über Priklopil und auch dessen kolportierten Neigungen zu befragen, sondern um ihn auf Anweisung zu verdeutlichen, dass er den Mund halten solle.

Blieb noch die Entführungszeugin Ischtar A., die einen zweiten Mann hinter dem Lenkrad des Entführungsfahrzeuges gesehen haben will. Sie wurde abermals und gleich mehrmals erneut befragt, doch gar nicht, um vielleicht noch weitere Einzelheiten der Entführung in Erfahrung zu bringen, sondern vielmehr, so scheint es, um die junge Zeugin zu verunsichern und sie von der Aussage über einen zweiten Täter abzubringen. Allerdings blieb die Zeugin bei ihrer Aussage.

 

Es stellt sich die Frage, ob sich die Zeugin Ischtar A. bei ihrer damaligen Beobachtung, die sich ansonsten als zuverlässig erwiesen hatte, geirrt oder gar eingebildet haben könnte. Bis zum heutigen Tag hält die Zeugin an ihrer Beobachtung fest. Sie hatte nach Priklopils Tod anhand von Fotos diesen Mann auch als jenen Entführer identifiziert, der 1998 das Mädchen in das Fahrzeug gezogen hatte.

Diese Zeugenaussage steht natürlich in einem zentralen Punkt der Aussage des Entführungsopfers Natascha Ka. entgegen, die aussagte, dass ihr Entführer alleine gewesen sei. Frau Ka. sagte auch später noch, dass es keine weiteren Täter gegeben und sie keine weiteren Personen „wahrgenommen“ habe.

Und doch war es Frau Ka. selbst gewesen, die bei ersten Befragungen und auch später in ihrem Buch Hinweise auf mindestens einen Mittäter oder wenigstens Mitwisser gegeben hatte.

Nach ihrem Auftauchen bzw. ihrer Flucht am 23. August 2006 in Straßhof wurde Frau Ka. von einer Polizistin gefragt, ob es mehrere Täter gab. „Ich kann keine Namen nennen“, habe Natascha Ka. laut Protokoll geantwortet.

Bei ihrer offiziellen und protokollierten Einvernahme durch die Kriminalpolizei berichtete Frau Ka., dass während der Fahrt unmittelbar nach der Entführung Priklopil auf einen Anruf auf sein Autotelefon gewartet hätte. Der allerdings nicht kam. Außerdem sei Priklopil mit ihr nicht gleich nach Straßhof gefahren, sondern zuerst durch die Gegend, wobei er noch angemerkt haben soll, dass sie, Natascha Ka., bald an andere übergeben werden würde. In einem Wald habe Priklopil dann gehalten, sei ausgestiegen und nervös im Kreis herumgelaufen, so, als würde er angestrengt nachdenken. Dann habe er gesagt, dass „die anderen nicht mehr kämen und er sie woanders hinbringen müsse“. Nun erst wären sie zu seinem Haus nach Straßhof gefahren.

Zudem gab es von Frau Ka. folgende Äußerung:

„Irgendwie kann ich mich dunkel erinnern, dass damals von einer dritten Person die Rede war, der erst meine Schultasche durchsehen müsse, ob ich ein Handy öder Ähnliches – wie z. B. Verteidigungsmittel – dabei hätte.“

 

Aus diesen Aussagen geht hervor, dass es einen anderen Hintergrund und einen anderen Plan gegeben haben muss. Priklopil war nicht darauf eingestellt gewesen, Natascha Ka. bei sich unterzubringen. Das Versteck unter seiner Garage, wofür es auch immer ursprünglich angelegt worden war, war nicht fertiggestellt bzw. für eine Unterkunft bereit. Es hatte an allem gefehlt. Priklopil musste erst noch eine Matratze aus Wien holen, außerdem Lebensmittel und Toilettenartikel. Außerdem schaffte er noch laut Frau Ka. einen alten Ölradiator in den winzigen Raum, weil es sonst zu kalt gewesen wäre. Dazu kam noch das Problem mit der Entlüftung.

Priklopil hatte hier offensichtlich improvisieren müssen, während die Entführung selbst offenbar geplant gewesen war. Die Polizei fand die bei der Entführung verwendeten Kfz-Kennzeichen, die gefälscht waren. Aber danach muss es, den Angaben der Frau Ka. folgend, aufgrund eines nicht geplanten Verhaltens anderer Person ganz anders gekommen sein.

An dieser Stelle darf man sich fragen, warum nach dem Scheitern des ursprünglichen Planes Priklopil das Mädchen nicht wieder nahe dem Entführungsortes abgesetzt hatte. Natürlich in der Hoffnung, in weiterer Folge von der Polizei nicht ermittelt zu werden. Weil er sich nun entschlossen hatte, sie bei sich zu behalten? Weil man sich kannte und sie ihn dann verraten hätte? Welche Gründe könnte es noch gegeben haben?

Auf jeden Fall musste sich anhand dieser Aussagen ein zwingender Ermittlungsansatz nach Mitwissern oder gar weiteren Tätern ergeben.

 

Montag
18
März 2013

Keine Filmkritik: 3096 (Teil 0,2)

 

Eine Filmkritik wird es an dieser Stelle nicht geben, weil „3096“ neben einer weiteren Verbreitung von „Wahrheit“ ein rein kommerzielles Produkt ist. Aufgepeppt mit etwas krudem Sex, was nicht glücklich scheint, aber eben dem Kommerz geschuldet zu sein scheint. Mehr ist es nicht, weswegen ich ihn mir auch nicht anschauen werde.

Dieser Film ist nur insofern interessant, weil er den kommerziellen Höhepunkt einer Tragödie darstellt. Die Tragödie der Natascha Ka., der es allerdings gelungen ist, ihre persönliche Tragödie erfolgreich zu vermarkten.

Dagegen ist meiner Ansicht nach grundsätzlich nichts einzuwenden und es geht mich auch nichts an. Ja, wenn nicht diese Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der Geschichte von Frau Ka. bestünden und wenn nicht dieser Fall im öffentlichen Interesse stehen würde. Und ich bin ein Teil dieser Öffentlichkeit, zumindest von jener, die tatsächlich Interessen hat. Mit dem Kauf einer Kinokarte dürfte ich sogar ohnehin an dieser Geschichte teilhaben.

 

Über diesen Fall ist in den Medien viel berichtet und geredet worden, es war ein Fall, bei dem von Anfang an die Meinungen hin und her wogten, ein Fall, der in der Bevölkerung eine Reaktion hervorrief, wie kaum zuvor. Und es war ein Fall, in welcher große Teile der Bevölkerung Mißtrauen gegenüber dieser Geschichte geäußert haben, sei es konkret und begründet oder auch nur intuitiv. Wie ebenfalls kaum zuvor.

Rational schien es jedenfalls kaum erklärlich.

Natascha Ka., die als Zehnjährige am 2. März 1998 auf dem Schulweg entführt worden war, tauchte am 23. August 2006 im niederösterreichischen Straßhof überraschend wieder auf, nachdem ihr – den eigenen Angaben nach – die Flucht gelungen sein soll. Die nunmehr 18jährige und nunmehr volljährige junge Frau trat entgegen ähnlich gelagerten Fällen an die Öffentlichkeit, gab Interwies, ließ sich in Talkshows einladen, moderierte eine eigene Sendung, schrieb ein Buch und verhielt sich grundsätzlich nicht wie das Opfer einer jahrelangen Gefangennahme in einem 4qm-kleinen Kellerloch, abgeschnitten von Sozialkontakten und überhaupt von allem, was Jugendlichen normalerweise für ihren Entwicklungsprozess benötigen. Von Radio, Video und einigen Büchern sowie etwas Privatunterricht durch den Entführer abgesehen. Kurzum, Frau K. machte nicht den Eindruck, als wenn sie während der Zeit ihres Verschwindens großartig etwas versäumt hätte. Sie begab sich in die Öffentlichkeit, wo sich die Medien nur zu gerne auf sie und ihre Geschichte stürzten. Bereits 2006 gab Frau K. gegenüber dem „STERN“ an, das Haus ihres Entführers kaufen zu wollen, welches sie 2008 tatsächlich erwarb. 2009 folgte auch noch der BMW des mutmaßlichen Verbrechers.

 

 

 

 


 

 

 

 

Diese Umstände verstörten, es passte nicht, da stimmte „irgendetwas“ nicht. Da sagte schon die eigene Intuition, es war und ist das Gefühl vieler, auch ganz ohne Kenntnis einiger Widersprüchlichkeiten in der von Frau Natascha Ka. selbst erzählten Geschichte.

Auf die soll hier aber gar nicht weiter eingegangen werden, zumal eine eigene Beurteilung gar nicht möglich ist. Dazu zählen auch die nicht wahrgenommenen Fluchtmöglichkeiten der Natascha Ka., worüber ich mir kein Urteil anmaße. Es war die Geschichte der Natascha Ka. mit einigen veränderlichen Details und Merkwürdigkeiten. Punkt. Der Widerpart dieser Geschichte, Wolfgang Priklopil, der Entführer, konnte wegen seines vorzeitigen Ablebens nicht mehr befragt werden. Und so bleibt die Darstellung dieser Geschichte natürlich recht einseitig, was besonders das vorherige Verhältnis dieser beiden Personen zueinander betrifft.

 

Interessant ist hier, wie die Behörden mit diesem Fall umgingen. Besonders nach dem Auftauchen von Natascha K. im August 2006.

Die Polizei ermittelte nach der Entführung 1998 und hatte hierbei das Glück, in der damals 12jährigen Schülerin Ischtar A. eine Zeugin zu besitzen, welche die Entführung ganz genau beobachtet hatte. Ischtar A. war in der Lage, den Entführer, den weißen Kastenwagen und den Entführungsvorgang zu beschreiben. Sie gab aber auch an, dass in diesem Kastenwagen, in welchen Natascha K. gezerrt wurde, ein weiterer Mann hinter dem Lenkrad gesessen habe. Dies habe sie genau gesehen, auch wenn sie das Gesicht des Mannes nicht erkannt hatte.

Im Zuge der Ermittlungen 1998 wurden daraufhin von der Polizei rund 1.000 weiße Kastenwagen überprüft, darunter auch jener von Wolfgang Priklopil am 4. April. In seinem Kastenwagen, einem Mercedes 100 D, konnte nur etwas Bauschutt, aber kein Hinweis auf das entführte Mädchen entdeckt werden.

Am 14. April machte ein Polizeihundeführer das Wiener Sicherheitsbüro auf Priklopil als einen möglichen Verdächtigen aufmerksam, doch wurde dieser Hinweis nicht weiter verfolgt, da man Priklopil bereits ausreichend überprüft zu haben glaubte. Obwohl dieser für die Tatzeit kein Alibi vorweisen konnte. Von der logischen Möglichkeit, der jungen Zeugin Ischtar A. Fotos von den Fahrzeughaltern vorzulegen, und hier besonders von Priklopil, ist nichts bekannt. Es wurde schwerwiegenderweise unterlassen.

Während diese Spur bzw. Hinweis demnach fahrlässigerweise nicht zu Ende verfolgt wurde, führten alle weiteren Befragungen, Überprüfungen und Ermittlungen zu keinem Erfolg. Das Mädchen Natascha K. blieb verschwunden.

 

 

Donnerstag
07
März 2013

Keine Filmkritik: 3096 (Teil 0,1)

 

Am vergangenen Montag, vor genau einer Woche, hatte nun der Film „3096“ (Regie: Sherry Hormann) in Wien seine Premiere erlebt. Frau Natascha Ka., auf deren gleichnamigen Buch der Film beruht, war persönlich anwesend gewesen.

Der Start dieses Filmes am Donnerstag wurde im deutschsprachigen Raum als Medienereignis gefeiert, aber dies ist schließlich ihr Geschäft. Deren Artikel fassten zumeist mit wenigen Sätzen den Inhalt des Streifens zusammen, um diesen allerdings mit einer vermeintlichen Wahrheit gleichzustellen. Der Film als Wahrheit in einer freilich in sich sehr reduzierten Form. Vergessen schien der Umstand, dass sich über die Jahre in einer breiten österreichischen Bevölkerungsschicht ein Glaubwürdigkeitsproblem an dieser Geschichte gebildet hatte. Vergessen und vielleicht auch einfach nur ignoriert. Dabei ist das Mißtrauen in der benannten Bevölkerung (natürlich nicht alle) erstaunlich genug, wenn man bedenkt, was sich die Medienkonsumenten gewöhnlich tagtäglich andrehen lassen.

 

Nur einen Tag später, am vergangenen Dienstag, gab es gleich eine neue mediale Schlagzeile zu diesem Thema. Der Vater von Natascha Ka., Ludwig Ko., war ebenfalls an Öffentlichkeit gegangen, um wiederum seine Wahrheit unter das Volk zu bringen, welche sich aber gravierend gegenüber der Filminhaltswahrheit unterscheidet. Denn Ludwig Ko. hält die Geschichte von den „3096“ Tagen im Verlies für einen Mythos, weswegen auch er ein Buch geschrieben hat, welches nächstens erscheinen soll. Dieser Zeitpunkt ist zweifellos gut gewählt, um eine etwas größere Aufmerksamkeit zu erhalten.

Nun, erzählen kann man allerhand. Jeder kann das. Seine Wahrnehmung der Dinge oder bestimmter Ereignisse. Oder eine rein fiktive Geschichte. Oder eine Wahrnehmung mit fiktiven Elementen oder auch eine fiktive Geschichte mit realen Wahrnehmungen.

Und es gibt Ursachen für eine Erzählung: erzählen für das Gefühl der eigenen Erleichterung, das Erzählen innerhalb einer Polizeibefragung, aus einem Gefühl des Unverständnisses heraus, zur Abschüttlung von lästigen Reportern, aus purer Unterhaltung oder auch nur eine Erzählung im kommerziellen Sinne.

Der Zuhörer bzw. der Zuschauer wiederum kann dieser Geschichte glauben schenken oder eben auch nicht. Aber eines ist klar: er weiß es nicht. Da es sich im Fall von Natascha Ka. um einen tragischen Kriminalfall handelt, ist es somit Aufgabe der Ermittlungsbehörden, sich diese Klarheit zu verschaffen. Und es ist anschließend die Aufgabe der Staatsanwaltschaft, anhand dieser gewonnenen Ermittlungsergebnisse ein Verfahren gegen den oder die Täter zu eröffnen.

Bedauerlicherweise hat es aber in diesem Fall einige Probleme damit gegeben.

 

Montag
04
März 2013

Filmkritik: Zero Dark Thirty

 

Dieser Film von Kathryn Bigelow ist technisch und handwerklich nicht überragend, aber gut gemacht. Leider erschöpft es sich hiermit auch schon.

Zero Dark Thirty erzählt von einer CIA-Agentin, welche sich geradezu in ihre Aufgabe hineinsteigert, den Aufenthaltsort des vermeintlichen Terroristen Osama in Laden zu ermitteln und diesen zur Strecke zu bringen. Man kann auch sagen: ermorden zu lassen. Genau in dieser Ermordung soll der Film erst ganz zum Schluß seinen Höhepunkt und auch das leere Ende finden.

Das NATO-Kampfblatt „SPIEGEL“ bezeichnete „Zero Dark Thirty“ als einen „Actionfilm mit politischem Anspruch“. Wie so oft ist aber das genaue Gegenteil der Fall. Bigelow’s mit freundlicher Unterstützung der CIA hergestellter Film lässt sich getrost in die Kategorie „Üble Propagandafilme“ ablegen.

 

Schon die anfängliche Behauptung, dass die Geschichte auf tatsächlichen Ereignissen basiere, ist bereits gelogen. Gleiches gilt für die 9/11 – Osama Bin Laden – Krieg gegen den Terror- Aghanistan – Irak – Etc. – Begründungskette. Womit sich dieses Machwerk allein bereits einen Platz in der Mülltonne verdient hätte.

Das vordergründige Thema in „Zero Dark Thirty“ ist die Folterung von Gefangenen und die Aussage, dass es zwar nicht sehr schön sei und es auch für die Folterer und deren Auftraggeber manchmal anstrengend sei, aber letztlich doch notwendig, um ganz wichtige Informationen zu erhalten. Auch wenn sie letztlich doch nicht viel wert sind.

Dies läuft freilich, abseits der eigenen Moralvorstellungen, nicht nur den Menschenrechten und allen Konventionen zuwider, es ist sogar widerlegt, weil diese gequälten Menschen schlußendlich alles gestehen werden. Dies ist seit der katholischen Inquisition bekannt. Eine Erkenntnis, die sich immerhin gegen Filmende zu einer Leere der Protagonistin entwickelt.

Der im Film gefolterte Mann mit dem Namen „Ammar“, welcher schließlich den Namen des Film-Kuriers eines Film-Bin-Ladens nennt, ist an die Person Khalid Sheik Mohammed angelehnt, der im US-Folterlager Guantanamo einsitzen soll. Bei ihm soll es sich um den angeblichen, weil bedauerlicherweise unbewiesenen Chefplaner der Anschläge in New York 2001 gehandelt haben.

Ja, genau, jene medienwirksame Anschlagskette, an der merkwürdigerweise kein Aufklärungsinteresse von seiten der US-Administration bestand und bis heute auch nicht besteht.

Khalid Sheik Mohammed wurde bereits 2002 als tot gemeldet, 2003 aber gefasst. Er oder ein anderer oder auch nur ein Schauspieler soll seitdem in Guantanamo einsitzen, was allerdings keine wirklich große Rolle spielt.

Was die Filmgeschichte anbelangt, so kann die dort aufgestellte Behauptung von der Zweckmäßigkeit von Folterung auch in diesem Fall nicht bewiesen werden, da die CIA den eigenen Angaben nach die angeblichen Verhörprotokolle des angeblichen Khalid Sheik Mohammed genauso angeblich vernichtet habe.

Da hatte doch tatsächlich mal jemand nachgefragt.

Mehrere US-Senatoren legten nach der Vorführung von „Zero Dark Thirty“ in den USA Beschwerde im Senat ein, weil diese Folter-Geständnis-Kurier-Story nachweislich eine Erfindung sei.

 

Eine Erfindung ist aber noch etwas ganz anderes. Weniger plakativ, sondern eher hinterhältig, wird in diesem Film vor allem eine ganz bestimmte Botschaft an und in die Kino-Konsumenten transportiert: Wie es wirklich war. Oder vielmehr: wie es nun wirklich gewesen sein soll in seiner derzeit letzten Version. Von denen gab es ja bereits mehrere, die sich allerdings alle als nicht sonderlich tauglich erwiesen haben. Also die wirkliche Wirklichkeit in der hier nun visuellen Version abseits der anderen variablen Wirklichkeiten. Damit auch jeder Schwachkopf es sich endlich merkt, wie Bin Laden wirklich umgekommen ist. Und ganz wichtig: wann. Und vor allem: warum!

Immer und immer wieder.

Damit der unselbständige, vollgefressene Schwachkopf im Kino diese und die ganze Geschichte glaubt. Und später sicherlich vor dem Fernseher, der täglich noch ganz andere Wirklichkeiten auszustrahlen in der Lage ist.

Was mag von der angestellten Filmemacherin Bigelow als nächstes kommen? Ein Szenario wie zum Beispiel „Operation Barbarossa – Wie die Gestapo in Berlin dem Bolschewismus auf die Schliche kam“ scheint derzeit trotz aller Ähnlichkeit politisch heikel. „Rot und tot unter Palmen – Das Scheitern der großen kubanischen Invasion an den Küsten Floridas“ würde sich hier als Alternative anbieten.

Die Medienfront ist die erste Front des Krieges.


Donnerstag
28
Februar 2013

Bedürftig – 13. Kandidat: Erwin Z.

 

Stolz war er gewesen, als er seine zweiten Zähne bekommen hatte. Ja, damals war er noch ein Kind, wie sich Erwin Z. erinnerte.

Mit den zweiten Zähnen kamen allerdings auch die Karies, bevor er noch als Jugendlicher galt. Dafür gab es zwar eifrige Zahnärzte, doch warum diese bei kleinen Kariesstellen ganze Backenzähne aushöhlen mussten, ist Erwin Z. auch heute noch schleierhaft.

Dann, gerade zu einem Mann geworden, bekam er seine erste Krone. Wegen Pfusch verlor er allerdings bald Zahn und Krone, doch wusste der Zahnarzt Rat – eine Brücke musste her.

Das war der Anfang vom Ende, wie Erwin Z. rückblickend feststellte. Eine Notziehung und ein kleiner Unfall kosteten weitere Zähne, die im Verlauf der Dinge zu weiteren Verlusten an Kronen und Brücken führte. Und zu ausgehöhlten Zähnen natürlich.

Krone-Brücke-Nichts.

Seine zweiten Zähne waren auch die letzten gewesen. Das musste Erwin Z. uns in der Bedürftigen-Redaktion nicht erklären, denn es war durchaus ersichtlich. Das geht gar nicht, war in seinem Umfeld der allgemeine Tenor, wusste Herr Z. zu erzählen. Jedem anderen sei ein Zurücklachen im Halse stecken geblieben. Für die Dritten fehlt ihm jedoch heute das Geld, weil seine Zweiten (und die Zweieinhalben) ihm bereits das letzte Hemd gekostet haben.

Herr Z. zeigte sich zwar nicht ganz unzufrieden ob seines wieder symethrischen Mundgefühls, doch wir von der Bedürftigen-Redaktion sahen dennoch gewissen Grund zur Sorge. Wir entschlossen uns, Herrn Z. wenigstens die Chance auf eine Unterstützung zu ermöglichen und küren ihn hiermit zum Bedürftigen der Woche.

Denn auch wir Stubenhocker in der Redaktion wissen, wie schwer es manchmal ist, sich im Leben erfolgreich durchzubeißen.

 

Montag
25
Februar 2013
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