Ein weiterer Artikel in der PRESSE-Printausgabe vom 7. April 2017 wurde von dem in Washington wohnhaft stationierten Oliver Grimm verfasst – „Trumps Wankelmut in der Syrien-Frage“. Online war dieser Artikel bereits am 6. April erschienen.
Grimm begann nicht mit dem aktuellen Ereignis, sondern stellte gleich am Anfang ein anderes Ereignis vorweg:
„In den frühen Morgenstunden des 21. August 2013 schlug rund ein Dutzend mit dem tödlichen Nervengas Sarin versehene Geschosse in mehreren von Regimegegnern beherrschten Vororten von Syriens Hauptstadt, Damaskus, ein. Wie viele Kinder, Frauen und Männer damals getötet wurden, konnte aufgrund der andauernden Kampfhandlungen und der Unzugänglichkeit für die Vertreter freier Medien und Menschenrechtsgruppen nie abschließend erhoben werden. Jedenfalls waren es mehrere hundert; die amerikanische Regierung kam auf Basis ihrer Untersuchung auf mindestens 1429 Todesopfer.“
http://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5197012/Trumps-Wankelmut-in-der-SyrienFrage
Kein Zweifel, Grimm wollte seine potentiellen Leser mit der Erwähnung des besagten Verbrechens aus dem Jahre 2013 einstimmen. Dazu gehörte auch die Nennung einer hohen Opferzahl, die von dem Kriegsteilnehmer USA kolportiert worden war. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen hatte die Zahl der Opfer mit 355 Personen beziffert, immer noch schrecklich genug, aber offenbar für den Autor nicht hoch genug. Worauf wollte Grimm nun einstimmen?
„Inspektoren der Vereinten Nationen fanden später Reste der Projektile, bei denen es sich um Artilleriemunition aus sowjetischer Fertigung handelt, wie sie die syrischen Regierungstruppen verwenden.“
Und da war sie auch schon: die Lüge. Die Inspektoren der UN hatten in der ihr zur Verfügung stehenden sehr kurzen Zeit tatsächlich an zwei Stellen Projektilreste gefunden, diese aber einerseits nur als „M-14-Artillerie-Granate“ ohne Herkunftsfestlegung (Typ M-14 wurde und wird international produziert), andererseits andere Reste mit „Kaliber 330 mm“ klassifiziert. Nicht die UN, sondern Grimm selbst war es, welcher daraus eine „sowjetische Fertigung“ konstruierte. Seine Intention war klar: der Versuch, den potentiellen PRESSE-Lesern eine Schuldzuweisung in Richtung syrische Regierung/syrisches Militär unterzuschieben.
Den Untersuchungsbericht der UN-Inspektoren vom 16. September 2013 gibt es auch in deutscher Sprache, so dass eine Überprüfung der von Grimm getätigten Behauptung einfach durchgeführt und widerlegt werden kann.
http://www.un.org/Depts/german/gv-sonst/a67-997-s13-553.pdf
Kriegstreiber und ihre Propagandisten bauen darauf, dass der gewöhnliche Medienkonsument dubiose Umstände schnell vergisst und gleichzeitig die aufgestellten Behauptungen nicht überprüft. Stattdessen soll wie auch in diesem Fall ein Leser mit den immer gleichen Lügen in einer geradezu ewigen Wiederholungsschleife förmlich erschlagen werden. Die Behauptungen sind häufig genug noch nicht einmal logisch und auch im Ansatz bereits schlichtweg falsch.
Die in Syrien agierenden Söldnerformationen und Al-Kaida-Truppen verwenden alle Waffen, die ihnen angeboten werden. Natürlich auch jene in Russland hergestellten Typen oder aus Kroatien, Bulgarien, Libyen etc. angelieferte baugleiche Muster. Die in Ost-Ghouta operierende und vor allem durch Saudi-Arabien unterhaltene Al-Kaida-Formation „Jaish al-Islam“ verwendet natürlich ebenfalls unter anderen russische oder in Lizenz hergestellte Waffen. Mit anderen Worten: „Projektilreste“ taugen nicht als Beweis. Zudem wiesen die UN-Inspektoren in ihrem Bericht auf Beeinträchtigungen der angeblichen Tatorte hin.
Panzerkampfwagen aus russischer Fertigung in den Händen von Al-Kaida.
Handfeuerwaffen russischer Bauart in den Händen von Al-Kaida.
Mörser und Raketenwerfer russischer Bauart auch in den Händen von Al-Kaida – einschließlich den Granaten und Raketen.
Oliver Grimm weiter mit seinem Propaganda-Stück:
„Die Bilder getöteter Kinder gingen damals um die Welt, so, wie sie es nun tun, nachdem am Dienstag ein neuerlicher Giftgasangriff Dutzende Menschen in der Provinz Idlib umbrachte.„
Eindeutig zog Grimm den Bogen vom Vorfall des Jahres 2013, bei welcher er eine Täterschaft der syrischen Regierung suggerieren versuchte, zu dem Ereignis in Khan Sheikhoun – dem „neuerlichen Giftgasangriff“. Genauer musste es Grimm gar nicht mehr ansprechen, stand doch hier eine Schuldzuweisung ebenfalls im Raum.
„Doch während Donald Trump nun als Präsident davon spricht, dass dies eine „schreckliche, schreckliche Sache“ sei, die „mehrere meiner Linien überschritten“ habe, blieb der Privatier Donald Trump nach dem wesentlich größeren Giftgasangriff im Spätsommer 2013 ziemlich ungerührt.“
Es ging Grimm nicht um den Giftgasvorfall in Khan Sheikhoun, er benutzte dieses Ereignis nur, um den US-Präsidenten Trump in ein schlechtes Licht zu stellen. Bereits die Überschrift des Artikels hatte ja bereits einen „Wankelmut“ bei Trump zeichnen wollen.
„„Der einzige Grund, warum Präsident Obama Syrien angreifen will, ist, um sein Gesicht wegen seiner sehr dummen Stellungnahme über die rote Linie zu bewahren. Greifen Sie Syrien nicht an! Reparieren Sie die USA!“, tönte Trump am 5. September 2013 auf Twitter. Tags zuvor war Obama am Rande des G20-Treffens in Stockholm danach gefragt worden, wie er auf den syrischen Einsatz chemischer Waffen zu reagieren gedenke; ein Jahr vor diesem Angriff hatte er erklärt, diesfalls wäre eine rote Linie überschritten, die ihn zu einem Militärschlag verpflichten würde.“
Das waren keine Grimm’schen Märchen, das war die Linie der Neocons und notorischen Kriegshetzer, als deren Sprachrohr Grimm fungierte. Das Gerede von Trump ist kaum relevant, weil diese sich taktischem Geplänkel unterordnet (oder: unterordnen muss), seine persönliche Situation ist nicht mit jener von 2013 vergleichbar. Um logische Überlegungen ging es hier aber nicht, sondern nur um die reichlich primitive Zurschaustellung eines Mannes, der mal so und mal anders redete.
Der Umstand, dass ein Angriffskrieg das maximale Verbrechen darstellt und die Platzierung von Kriegsanlässen („rote Linie“) die Sache nicht besser machte, schien Grimm nicht weiter zu belasten. Er deponierte bei dieser Gelegenheit den weiteren Baustein einer Rechtfertigung (Obama wurde nach Reaktionen gefragt) welche wiederum auf einer unbewiesenen Behauptung und einhergehender Schuldzuweisung (syrischer Einsatz chemischer Waffen) fußte.
Die verbrecherische Dimension offenbarte sich auch bei dem von Grimm ungerührt vorgetragenen Satz nach der angeblichen „Verpflichtung“ eines „Militärschlages“ (in einem fremden Land, in welchem die Aggressoren ihre Interessen durchzusetzen gedachten). Was lag also näher, als dass genau diese Leute auch an einer Realisierung arbeiten würden? Was lag also näher, als diese „rote Linie“ überschreiten zu lassen?
Grimm war das Thema um Trump wichtig genug, um noch einen weiteren Tweed nachzuschieben.
„Trump beließ es vor drei Jahren nicht bei diesem einen Tweet. „Noch einmal, an unseren sehr dummen Führer, greifen Sie Syrien nicht an! Wenn Sie es tun, werden viele schlimme Dinge passieren & aus diesem Kampf bekommen die USA nichts!“, twitterte er ebenfalls am 5. September unter dem ausschließlichen Einsatz von Großbuchstaben. „Präsident Obama, greifen Sie Syrien nicht an. Es gibt keinen Vorteil und enorme Nachteile. Sparen Sie sich Ihr ,Pulver‘ für einen anderen (und wichtigeren) Tag!“, schob er zwei Tage später nach.“
Trump hatte sich damals nach diesen Zitaten gegen eine Kriegseskalation ausgesprochen, doch war dies für Grimm kein Thema. Für ihn schien der US-Präsident vor allem eines zu sein: ein Wirrkopf, den es auch als solchen darzustellen galt.
„Nach dem neuen Angriff vom Dienstag versuchte Trump, die Verantwortung Obama in die Schuhe zu schieben. „Als er diese Linie nicht überschritt, nachdem er die Drohung gemacht hatte, das hat uns weit zurückgesetzt“, sagte Trump und widersprach damit seiner eigenen damaligen Haltung.“
Wir können getrost davon ausgehen, dass die dargebotene Kleingeistigkeit eines Grimm nur aufgesetzt war. Würde er ausschließlich das Geschwätz von aktuellen Staatenführern auf Widersprüchlichkeiten untersuchen, der Mann würde mit dieser belanglosen Tätigkeit nicht fertig werden. Aber darum ging es ja gar nicht, es ging nur um Trump.
„Trumps UNO-Botschafterin, Nikki Haley, erklärte am Dienstag im Weltsicherheitsrat, Amerika werde nötigenfalls auch ohne Abstimmung mit den anderen Mitgliedern des Rates gegen Assad vorgehen.“
Ja, das hatte die US-Botschafterin gesagt, sie hatte verklausiliert mit einer Eskalation gedroht. Aber zu Grimm seiner kaum verhehlten Empörung und seiner eigenen einsamen Verwirrung hatte auch Haley vorher etwas anderes gesagt, etwas, was eher in die gegensätzliche Richtung gedeutet hatte.
„Doch noch vor wenigen Tagen hatten Haley und Außenminister Rex Tillerson das syrische Regime ermutigt, indem sie erklärten, eine Beendigung des Syrien-Krieges müsse nicht mehr nötigenfalls die Absetzung Assads mit sich bringen. Das war eine klare Abkehr von der bisherigen Haltung Washingtons, derzufolge Assad jegliche Legitimität als Präsident seines Landes verloren habe.“
Köstlich. Für jeden potentiellen PRESSE-Leser war ersichtlich, dass Grimm nicht etwa eine vermeintliche, weil nicht vorhandene Legalität oder Legitimität der „Haltung Washingtons“ hinterfragte. Grimm agierte hier nicht nur als Sprachrohr einer Verbrecherbande, die außerhalb jeglicher Gesetzgebung operierte, nein, er behauptete auch noch, dass durch einen ersten Schritt der Deeskalation der US-Regierung, und das hatte die genannte „Abkehr“ beinhaltet, das „syrische Regime ermutigt“ worden wäre. Zu was?
Was Grimm hier betrieb, war ebenfalls nichts anderes als Hetze. In seinem Artikel wurde gegen die syrische Regierung wie auch gegen den nicht dem Lager der Neocons zugehörigen US-Präsidenten Trump agiert. Die Schnittmenge ist offensichtlich: einerseits das Bemühen um Eskalation („Regime“ = alternativloser Täter), andererseits eine Negativdarstellung eines ersten Deeskalationsschrittes (seitens der US-Regierung).
Die PRESSE hatte noch einen weiteren Artikel auf Lager gehabt, welcher allerdings nur online für registrierte Bezahlleser verfügbar war. Dieser stammt von Wieland Schneider, der sich in der Vergangenheit durch nichts von seinen Kollegen wie Gehlen oder Grimm unterschied. Wir waren nicht dazu bereit, dafür auch noch Geld auszugeben und das Pack damit zu unterstützen.
http://diepresse.com/home/dossier/5159112/Wer-in-Syrien-Krieg-fuehrt-und-warum