Die bestimmten Handlungen vorgelagerten Ausgangssituationen wurden von Christian Ultsch unterschlagen, um sein Pamphlet, denn um mehr handelte es sich hierbei nicht, in eine bestimmte Bahn zu lenken. Dazu gehörte auch die Meinung, dass die Bedingungen, wie ein Staat außerhalb der USA zu funktionieren habe, von eben diesen USA bestimmt werde.
Ein gesellschaftliches Model wie der Sozialismus gehörte nicht dazu, weil dieses die so genannten Eliten, die alte Herrschaftsklasse, und das Kapital zum Gemeinwohl unterordnen ließ. Was für Ultsch als einen Vertreter des US-Raub-Kapitalismus ein „ideologischer Starrsinn“ gewesen sein soll, war Fidel Castros Vorstellung eines gesellschaftlichen Ideals gewesen, in welchem die Menschen in der Bevölkerung innerhalb einer sozialen Gerechtigkeit untereinander „gleich“ sein sollten. Im Zuge dessen hatte Kuba ein kostenloses Bildungssystem aufgebaut und den vor 1959 herrschenden Analphabetismus von sage und schreibe rund 70% auf einen besseren Stand bringen können als jenen in den USA. Als vorbildlich galt auch das damals neu geschaffene und für die Kubaner ebenfalls kostenlose Gesundheitssystem mit vorzüglich ausgebildetem Personal. Kuba hatte daraufhin in Afrika und Süd- sowie Lateinamerika medizinische Einrichtungen solidarisch zur Verfügung gestellt, wo es einen großen Mangel gegeben hatte. Das neue Gesellschaftssystem hatte übrigens auch das Ende des zuvor ausgeübten Rassismus bedeutet.
Richtig ist der Umstand, dass Kuba unter den Brüdern Castro ein Ein-Parteien-System etabliert hatte und somit eine autokratische Regierung. Die von Ultsch behauptete „unterdrückerische Despotie“, wobei „Despotie“ erst in der Neuzeit als Begriff für eine Willkürherrschaft verwendet wird, war keine gewesen, denn die Regierung hatte die Mehrheit der Bevölkerung immer hinter sich gewusst. Sie hätte sich andernfalls auch niemals so lange halten können.
Natürlich hatte es eine Fluchtbewegung von der Karibikinsel gegeben. Die zuvor herrschende weiße Oberschicht und die Akteure der Diktatur hatten mit ihren Familien Kuba verlassen, wie überhaupt alle, die aufgrund vergangener Umtriebe die Aussicht auf ein Gerichtsverfahren gehabt hatten.
Es ließe sich einiges auch an der Regierung Castro kritisieren und diskutieren, aber darum ging es Ultsch gar nicht, da er nur auf einseitige Diffamierung setzte. Die besondere Situation der kubanischen Regierung unter Castro lag in der grenzenlosen Aggressivität der USA begründet, welche die Existenz Kubas als freien und souveränen Staat permanent bedroht hatte. Dies wurde von Ultsch wohlweislich komplett ausgeblendet, weil seine US-Dienstherren dann als antidemokratische, despotische und kriegerische Gewaltmenschen da stehen würden. PRESSE-Leser mussten daher bei Interesse selbst in Erfahrungen bringen, dass bestimmte Handlungen wie jene der Castro-Regierung auch einem bestimmten Umfeld geschuldet waren.
Dass die von Ultsch behauptete „Despotie“ über einen sehr großen Rückhalt in der kubanischen Bevölkerung verfügt hatte, wurde auch dadurch deutlich, dass die USA trotz Kriegshandlungen wie Bombardierungen, einer – gescheiterten – Invasion („Schweinebucht“), Terroranschlägen, Morden und Mordversuchen, Sabotage, Handelskrieg und totale Blockade sowie einer permanenten subversiven Wühlarbeit und Manipulationen der Bevölkerung nicht gelungen war, die Regierung Castro zu stürzen und Kuba unter die eigene Gewaltherrschaft zurückzubringen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Mongoose
Das durch und durch kriminellen Kapazitäten wurden auch in anderen Plänen deutlich:
https://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Northwoods
Dies war für Ultsch kein Thema, gehört aber dazu, um differenzieren zu können. Kuba hat ungleich mehr Gründe, Menschenrechte in den USA anzumahnen, die – rechtlich abgesichert – sogar auf Kuba noch ein KZ unterhalten. Ultsch versuchte hier die Sichtweise des US-Verbrecherpacks unter die Leute zu bringen, und dies nicht sonderlich intelligent.
Natürlich hatte die Regierung Castro nicht die „Zuckerrohrinsel in den wirtschaftlichen Ruin“ getrieben. Würde Ultsch hier seinen Maßstab für alle gleich anlegen, wären die USA mehr als „ruiniert“. Das zieht demnach nicht. Da es wiederum die USA waren, welche im Verein mit ihren Verbündeten Kuba mit einer vollständigen wie widerrechtlichen Handels-Blockade versehen hatten, waren verschiedene Entwicklungen – vor allem technischer Natur – nicht möglich gewesen. Die Regierung Castro hatte nichts verboten oder abgeriegelt, aber sie war dann genötigt gewesen, ihre Wirtschaft unter sehr schlechten Bedingungen halbwegs autark zu gestalten.
Was Castro angeblich an der Entwicklung Kubas „gestohlen“ haben soll, blieb hier der alleinigen Phantasie Ultsch überlassen. Er teilte es seinen Lesern auch nicht mit. Eine gegensätzliche Sichtweise ist auf jeden Fall zulässig: die verhinderte Unterordnung und Ausplünderung der USA und die Wahrung der Souveränität Kubas mit einem sozialistischen Gesellschaftsmodell zum Preis eines relativ niedrigen Einkommens und überschaubaren Konsummöglichkeiten. Und dies auch noch bei einer hohen Lebenserwartung. Oder auch das Ringen eines soziales Systems gegenüber einem korrupten und kriminellen, welches nur die Klientel einer bestimmten Oberschicht bedient.
Diese Sichtweise dürften US-Lohnschreibern wie Ultsch natürlich überfordern, weil sie mit echten Werten und Haltungen, mit Moral, Anstand und Selbstbestimmung nichts anfangen können. Die einzige Grundlage ihres Berufsstandes besteht aus gewissen Talenten als bezahlte Sprachrohre und ansonsten aus amoralischer Verkommenheit – und sonst nichts. Ultsch trat den Nachweis sogleich an.
„Statt den Ausgleich mit dem reichen Nachbarn zu suchen, pflegte Castro die Feindschaft zu den USA, in die er sich nach der Revolution mit Enteignungen und seiner Verbrüderung mit der Sowjetunion ritt. Das brachte die Welt nach der Stationierung russischer Raketen auf Kuba 1962 an den Rand eines Atomkrieges.“
Ein Ausgleich setzt immer noch die Befähigung beider Seiten voraus, ein bestimmtes Problem zu lösen. Diesen Ausgleich hatten die USA allerdings nie gesucht. Die Masse der Verstaatlichungen von ausländischer Industrie geschah erst nach den US-Aggressionen bis 1962. Da die USA auch Drittstaaten genötigt und erpresst hatten, damit diese ihre Handelsbeziehungen zu Kuba abbrechen, war eine wirtschaftliche Annäherung Kubas an die Sowjetunion eine zwangsläufige gewesen. Diese Entwicklungen wurden von Ultsch unterschlagen, um ein einseitiges Zerrbild zu entwerfen. Ebenso unterschlug er, dass der Stationierung von sowjetischen Raketen auf Kuba ein anderes Ereignis vorausgegangen war: die USA hatten damals in der Türkei gegen die Sowjetunion gerichtete Jupiter-Atom-Raketen installiert. Das Vorhaben, sowjetische Raketen auf Kuba zu stationieren, war eine Reaktion darauf gewesen.
Ultsch ließ somit aggressives und bedrohliches Handeln der USA weg, um Reaktionen darauf als „Aggression“ darzustellen. Wie wir wissen, haben die USA nicht die geringsten Probleme damit, weltweit etwa 800 Militärbasen zu unterhalten und an den Grenzen anderer Länder schweres Kriegsgerät auffahren zu lassen. Aber wehe, irgendjemand kommt auf eine ähnliche Idee. Dann tat auch ein Ultsch empört, der dafür zuständig ist, die Anliegen, Meinungen und Verbrechen Washingtons als normal, gerecht, demokratisch oder als Wahrheit zu verkaufen.
„Vom unseligen Handelsembargo, dass die USA schon zwei Jahre zuvor verhängt hatten, profitierte Castro letztlich politisch. Er hatte von da an eine bequeme Patenterklärung, um von seiner Verantwortung für die Misere in Kuba abzulenken.“
Ultsch empfand hier das Handelsembargo als „unselig“, aber nicht, weil es sich um einen kriminellen Akt handelte und noch handelt, sondern weil es die Castro-Regierung unbeabsichtigt innenpolitisch unterstützt hatte. Das kriminelle Agieren der USA hatte sich aber nicht nur auf eine Blockade beschränkt, sondern sämtliches verbrecherisches Potenzial beinhaltet, was von Ultsch nicht erwähnt wurde. Der wies Castro nur die „Schuld“ an einer angeblichen „Misere“ zu, die freilich von anderen initiiert wurde.