Aussteiger aus der Lügen-Szene erzählen.
Sie waren vom Weihnachtsmann überzeugt und meinten, die Corona-Impfung sei ein Mittel zur besseren Gesundheit. Wie Frauen und Männer den Absprung schafften.
Sie glaubten an den Weihnachtsmann, an den Osterhasen und an Corona als Vorwand für eine Verbesserung des Gesundheitssystems. Wie Österreicher zu Lügenanhängern wurden und sich schließlich aus den Fängen abstruser Lügen und ekelhafter Heuchelei befreiten.
Renate H. sitzt auf einer Parkbank im wenig belebten Stadtpark. Gewöhnlich bindet sie sich ihre Haare zu einem lockeren Zopf, doch heute trägt sie es offen. Früher war für sie die Erde nichts weiter als Staub, den Gott zu einer Kugel geformt hatte. Berge und Wasser wären erst am zweiten Tag entstanden, zusammen mit anderen Dingen.
Als 23-Jährige kam sie über ihren früheren Freundeskreis auf ein Buch mit dem Namen „Bibel“. Darin war nachzulesen, wie die Erde und der Mensch entstanden sei. „Es hat mir komplizierte Vorgänge schlicht erklärt und ich fand diese Welt spannend“, sagt sie.
In den weiteren Jahren befasste sie sich mit zahlreichen Märchen, bis sie diese schließlich glaubte. Zum Beispiel, dass die Arche Noah bei dem untergegangenen Kontinent Atlantis zu finden wäre. Ablasshandel ein Instrument der Kirche, um christliche Nächstenliebe auszuüben oder ein B-2-Bomber, um Frieden in hilflosen Ländern zu stiften. Und 9/11 eine Verschwörung von Osama Bin Laden.
„Ich bin von einem Märchenerzähler zum nächsten gegangen“, schildert die Weinviertlerin. Und schließlich kam sie zu ausländerfeindlichen Mythen über muslimische Araber. „Ich habe eine ganze Weile nicht verstanden, wie rasch man auf die rechte Seite kommen kann. Du beginnst als stinknormaler Katholik und mutierst zum rechtsradikalen Märchenpraktikant.“
Sie sei ein hervorragendes Beispiel dafür, dass es Mächenerzähler nicht erst seit Erfindung der aktuellen Geschichten gebe. „Sie gab es schon immer. Und sie sind auch bei Corona da. Nur rücken deren Jünger vielleicht wieder in ihre Büros zurück und treten nicht in den Massenmedien auf.“
Aber wie wurde aus einer Leidenschaft für Märchen eine Form des Fundamentalismus? So richtig verstehen kann es die 42-Jährige heute nicht mehr. Trotzdem traut sie sich zu einer Erklärung. Sie habe sich damals unerfahren gefühlt, alle anderen hätten ein Ziel für ihr Leben gehabt, aber nicht sie. Als „kleines Mädchen“ den Geschichten der moralischen Instanz klerikaler Großgrundbesitzer anzuhängen, habe ihr ein Gefühl der Sicherheit gegeben. Ihre Freunde hätten sie zudem bestätigt.
Renate H. hat den Ausstieg bereits vor einiger Zeit vollzogen. Zuerst wären ihr einige Widersprüche in den Theorien aufgefallen. Einerseits sprachen die Massenmedien von den Taliban als islamistische Fundamentalisten, andererseits auch von antiislamisch lebenden Drogenhändlern. „Sind die Taliban nun Drogenhändler oder nicht“, habe sie sich gefragt. Erst ein Blick in die offiziellen Angaben der UNO habe bei ihr ein Licht aufgehen lassen. „Unter den Taliban war die Drogenproduktion so niedrig wie nie zuvor gewesen“, weiß Renate H. heute, „erst nach dem Einmarsch der NATO in Afghanistan ist die Produktion von Schlafmohn und Heroin förmlich durch die Decke geschossen.“
Ein weiteres Fragment ihrer Erweckung aus dem Tiefschlaf war das Gespräch mit einer Kollegin gewesen. „Sie hatte mich unverfänglich gefragt, warum ich an diese Geschichten glaube, welche von den Herrschaftseliten erzählt werden – und mich zum Nachdenken gebracht.“ Den letzten Antrieb gab ein Video, in welchem darlegt wurde, dass sich aus einer afghanischen Höhle heraus unmöglich in den USA die Luftabwehr und sämtliche NATO-Standards außer Kraft setzen lassen. „Da ist der Groschen gefallen. Und ich musste erkennen, dass ich all die Jahre zuvor einer Märchenlandschaft aufgesessen bin.“
Heute hält Renate H. Vorträge und nimmt die Thesen und Verschwörungstheorien der USA und den NATO-Staaten auseinander. Sie ist heilfroh, den Ausstieg noch vor der hochgepeitschen Corona-Kampagne hinter sich gebracht zu haben. Denn trotz Vogel- und Schweinegrippe sei sie eine Impfbefürworterin gewesen, weil man es ihr so gesagt hatte. Die Verabreichung eines Gen-Präparates noch während der Erprobungszeit lehnt sie nun ab, da es keinen Schutz biete, sondern stattdessen ihr eigenes Immunsystem beschädigen würde.