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Das Heulen der Hunde 14.

 

Im STANDARD erschien zu dieser Zeit, online am 2. Oktober 2015, auch noch ein Kommentar von Michael Vosatka, der neben den ansonsten platzierten Propagandamüll soetwas wie einen kritischen Artikel darstellen sollte, um vielleicht eine gewisse Ausgewogenheit zu simulieren. Keine Sorge, diese fand natürlich nicht statt.

Die Strategie des Regime-Change ist gescheitert. Kommentar von Michael Vosatka. Standard, 2. Oktober 2015.

http://derstandard.at/2000023103675/Die-Strategie-des-Regime-Change-ist-gescheitert

 

Bereits der erste Satz war von Behauptungen durchzogen.

„Europas Regierungen haben zu lange den Kopf in den Sand gesteckt und im syrischen Bürgerkrieg die falschen Strategien verfolgt.“

Den Kopf in den Sand gesteckt hatte niemand der genannten Regierungen. Die meisten europäischen Staaten sind in der NATO und in der EU organisiert, die meisten Staaten haben sich als mehr oder minder aktive Komplizen der US-geführten Kriegstreiber gezeigt. Der Begriff „Bürgerkrieg“ hat nichts mit der Situation in Syrien zu tun. Außerdem impliziert eine angeblich „falsche Strategie“ hier bereits zumindest eine Einmischung in fremde Angelegenheiten, ohne allerdings auf den Umfang der Täterschaft einzugehen.

„Die Folgen des Krieges sind heute überall in Europa sichtbar: Hunderttausende Flüchtlinge zeigen den europäischen Regierungen durch ihre bloße Anwesenheit, welche Versäumnisse und Fehler in den vergangenen vier Jahren begangen wurden. Doch viel zu langsam reift die Erkenntnis, dass man den Flüchtlingsstrom nur stoppen kann, wenn man die auslösenden Probleme vor Ort beseitigt.“

Das war von Vosatka nett formuliert, trifft aber nicht den Kern. Wer Kriege führt, auch Wirtschaftskriege, löst logischerweise Flüchtlingsbewegungen aus. Versäumnisse, „Fehler“ und natürlich auch Inkompetenz waren und sind innenpolitisch festzustellen, außenpolitisch dagegen nicht, da der aggressive Akt eine bewusste Handlung gewesen war, die immer noch andauert. Eine „Erkenntnis“, die nach angeblich vier Jahren „langsam reifen“ würde, ist eine der Minderbemittelten, die in einer Regierung sicherlich nichts zu suchen haben sollten. In Wirklichkeit handelte es sich bei dieser „Erkenntnis“ nur um das Andenken eines anderen Weges, weil sich mit der Flüchtlingsbewegung innenpolitische Probleme ergeben hatten. Die Situation war die, dass zahlreiche EU-Regierungen mit einem Spagat konfrontiert waren, einerseits die Flüchtlingskrise zu bewältigen, andererseits das Fahrwasser der Kriegstreiber nicht zu verlassen.

„Die Chance auf eine Verhandlungslösung und einen Rücktritt des syrischen Präsidenten Bashar al Assad wurde dem finnischen Nobelpreisträger Martti Athisaari zufolge vom Westen schon 2012 leichtfertig verspielt, zu sehr glaubte man an einen raschen Sturz der Regierung.“

Vosatka berichtet hier von einer Ungeheuerlichkeit, die medial zumeist unterschlagen worden war. Leider vergisst er dabei, dass dieser Vorschlag einer Initiative Russlands beim UN-Sicherheitsrat entsprang. Russland hatte auf dem Kriegsschauplatz Syrien die ganze Zeit deeskalierend eingewirkt oder es zumindest versucht. In der westlichen Medienlandschaft, die sich nach den Ansichten Washingtons gemeinschaftlich auf Russland eingeschossen hatten, wurden sämtliche diplomatischen Aktivitäten zur Deeskalition – auch in der Ukraine – konsequent unterschlagen oder verzerrt. Es hätte andernfalls auch aufgezeigt, wer an friedlichen Lösungen interessiert war und wer nicht. Die USA und ihre Verbündeten hatten auf den Krieg gesetzt, wie Vosatka nur indirekt mitteilt. Der verbrecherische Aspekt der Akteure ist in seinem Kommentar immerhin ersichtlich, auch wenn dieser nicht deutlich herausgestellt wurde.

„In den vergangenen Wochen setzte sich langsam die Meinung durch, dass man mit Assad zumindest reden muss, um zu einer Lösung zu gelangen. An der bisher betriebenen Politik des Regime Change, deren einzige Ziel der militärische Sturz Assads ist, hält der West jedoch weiterhin fest. Dabei sollten die Lehren aus den Zuständen in Libyen zeigen, dass ein Regime Change ohne ein Konzept für den Tag danach nur zu Chaos führt und alles verschlimmert, egal wie schlimm der gestürzte Diktator auch war.“

Vosatka kommentiert äußerst freundlich die massenmörderischen Handlungen des „Westens“ und seiner Verbündeten. Den Sturz einer Regierung irgendwo im Ausland zu betreiben ist ein Verbrechen. Diesen Sturz mit Hilfe eines Krieges herbeizuführen, ist das größte Verbrechen überhaupt. Dafür gibt es keine Rechtfertigung. Vosatka vergißt zu erwähnen, dass es bei dem Krieg in Syrien gar nicht um „Assad“ geht, sondern ganz andere Motive zu suchen sind, wirtschaftlich und geopolitisch. Bei der Erwähnung Libyens wird auch hier nicht festgestellt, dass es sich um einen verbrecherischen Angriffskrieg gehandelt hatte, um den Staat Libyen zu zerschlagen. Es war ausschließlich um die Zerstörung des Landes und der libyschen Politik als Gegenspieler zu den westlichen Interessen gegangen. Das hat nichts mit irgendwelchen „Diktatoren“, „Revolutionsführern“ oder sonstwas zu tun, denn als „Könige“ eingesetzte autokratische Marionetten waren nie ein westliches Problem gewesen, so lange sie den Interessen der USA und deren Verbündeten zugearbeitet hatten.

„Ein derartiges Konzept kann der Westen jedoch nicht vorweisen. Die syrische Opposition ist ein inhomogenes Gebilde aus zum Teil gemäßigten, demokratisch orientierten Gruppen, ethnisch orientierten Einheiten wie den Kurden, aber auch zahlreichen islamistischen Organisationen, deren erklärtes Ziel die Errichtung eines islamischen Staates ist. Sollte die syrische Regierung stürzen, würden diese Gruppen das bestehende Machtvakuum ausfüllen, der bewaffnete Konflikt würde, ganz wie in Libyen, erst richtig beginnen.“

Eine syrische Opposition existiert als solche nicht. Natürlich hatte es diese 2011 gegeben, wie sie in jedem Land der Erde zu finden sind. Was gegenwärtig existiert sind neben der noch nicht okkupierten, vertriebenen oder getöteten syrischen Bevölkerung und den Kurden als ein Teil dessen eine riesige Ansammlung von salafistischen Terror-Verbänden und Söldner. Vosatka, der mit seiner weiteren Einschätzung richtig liegen mag, vergißt hierbei, dass es sich um eine durch Proxy-Truppen durchgeführte ausländische „Intervention“ handelt.

„Die Forderung der westlichen Regierungen nach den ersten russischen Luftangriffen, Moskau dürfe ausschließlich Stellungen der IS-Terroristen bombardieren, ist ein Irrweg. Die ersten russischen Bomben am Mittwoch galten offenbar dem syrischen Al-Kaida-Ableger Nusra-Front und der Islamistenorganisation Ahrar al-Sham. Beide Gruppen sind für Kriegsverbrechen an Zivilisten verantwortlich und wurden übrigens selbst schon Ziel von US-Luftangriffen. Die Tatsache, dass sie gegen die syrische Armee kämpfen, darf sie noch nicht zu Verbündeten des Westens machen. Die oppositionelle Freie Syrische Armee hingegen gilt auch den Russen als „wichtiger Teil des politischen Prozesses“, wie Außenminister Sergej Lawror sagte.“

Was Vosatka hier als einen „Irrweg“ bezeichnete, ist keiner, sondern eine bewusste Propagandashow. Nachdem die Kriegstreiber den „IS“ gebildet hatten, war diese Gruppierung durch Politiker und den Massenmedien weiter aufgebaut und positioniert worden. Das hatte seinen guten Grund gehabt, denn so wurde „IS“ zu einer Fahrkarte. Vosatka stellt hier zwar den doppelten Standard der USA heraus, unterlässt es aber aus irgendeinen Grund, Al-Kaida als das zu benennen, was es ist: eine Terrororganisation, angewachsen zu einer Armee. Dazu gehört auch der von den USA, den Saudis und der Türkei gestützte salafistische Söldnerhaufen der „Ahrar al-Sham“. US-amerikanische Luftstreitkräfte hatten diese Verbände und Todesschwadronen kaum tangiert, Vosatkas Behauptung resultierte einzig aus einer Pentagon-Meldung. Er übernahm auch die Legende der „FSA“, worin sich ebenfalls Al-Kaida organisiert hat. Vosatka fiel hier auf eine Spitze von Lawrow herein, denn dieser hatte genau gewusst, dass diese „gemäßigte“ FSA gar nicht existiert und folglich kein Nachweis für deren Existenz erbracht werden konnte.

„Es mutet absurd an, wenn sich ausgerechnet Washington über Bomben auf einen Al-Kaida-Ableger empört – eine Organisation, die am 11. September 2001 tausende Menschen in den USA ermordete und deren Anführer Osama Bin Laden selbst von US-Truppen getötet wurde. Auch Frankreichs Präsident Hollande forderte, Luftangriffe dürfen ausschließlich gegen den IS geflogen werden. Hollande vergisst dabei offenbar, dass die Mörder der „Charlie Hebdo“-Redakteure in Paris ihre Terrorausbildung von Al-Kaida erhalten hatten. Eine Unterscheidung in „gute“ und „schlechte“ Terrorgruppen macht die westliche Politik unglaubwürdig.“

Für Vosatka mutete hier etwas absurd an, was tatsächlich absurd ist. Das die USA die AL-Kaida-Sturmtruppen in Syrien in Ruhe gelassen haben möchte, sollte Vosatka zu denken geben. Irgeneine Überlegung, irgendein Rückschluß: Fehlanzeige. Stattdessen nahm er die Behauptung Washingtons auf, dass „Al Kaida“ für den Anschlag in New York 2001 verantwortlich gewesen wäre. Dummerweise war „Al Kaida“ eine Proxy-Truppe der USA gewesen, vorher und nachher, und einen Beweis für die Täterschaft dieses gigantischen Verbrechens in New York gibt es de facto nicht. Vosatka gibt somit nur die US-Propaganda wider, wozu auch die unbewiesene Ermordung von Bin Laden in Pakistan gehört. Auch den „offiziellen“ Unsinn mit dem Anschlag auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“ versucht Vosatka den Lesern anzudrehen. Die sehr dämlichen „Bekenntnisse“ und „Informationen“ fußten fast ausschließlich auf US-Quellen, die anschließend sofort entsorgt wurden. Noch dazu führt eine „Al-Kaida“-Spur auch nur wieder in die USA und zu deren Verbündeten Saudi-Arabien. Tatsächlich deutet bei diesem dubiosen Anschlag alles darauf hin, dass es eine Operation der Geheimdienste der USA und Frankreichs gewesen war.

„Chuzpe beweist in diesen Tagen Saudi-Arabien: Riad ließ über seinen UN-Botschafter Abdallah al-Muallimi die Besorgnis über die russischen Luftangriffe ausrichten. Zahlreiche unschuldige Menschen seien dabei ums Leben gekommen. Derartige Bedenken hat das Königreich bei seinem Krieg im benachbarten Jemen allerdings ganz offensichtlich nicht.“

Natürlich hat Saudi-Arabien diese Bedenken nicht, es ist ihnen schlichtweg gleichgültig, wenn es um die Interessen dieses Terrorstaates geht. Saudi-Arabien ist im Bündnis mit den USA seit dem Krieg in Afghanistan vor allem in den Kriegen mit Proxy-Truppen involviert.

„Kein Zweifel: Bei den russischen Luftangriffen werden auch Zivilisten sterben. Das tun sie aber auch bei den Angriffen der USA, Großbritanniens und Frankreichs auf den IS. Eine Wirkung der westlichen Bombardements ist bisher jedoch weitgehend ausgeblieben. Der Terror islamistischer Gruppen kann nur auf dem Boden beendet werden, und dazu bedarf es einer Kooperation mit Damaskus, Bagdad, Teheran, der demokratischen syrischen Opposition und den Kurden. Letzteren werden weitgehende Zugeständnisse gemacht werden müssen. Über die Zukunft Assads muss später entschieden werden.“

Richtig, es wird gestorben. Die USA haben in den letzten 40 Jahren Millionen von Zivilisten umgebracht, das ist nichts neues. Vosatka ging allerdings nicht der Frage auf den Grund, warum die USA seit einem Jahr gegen „IS“ und „Al-Kaida“ praktisch nichts bewirkt haben. Auch das sollte zu denken geben. Obwohl – es liegt auf der Hand, wenn auch nicht auf jener von Vosatka.

Fazit: Der Kommentar von Michael Vosatka kleidet sich in einen kritischen Gewand, transportiert aber sämtliche propagandistische Eckpfeiler. Deswegen durfte er auch im STANDARD erscheinen.

 

 

 

Samstag
12
Dezember 2015
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