Während die Evaluierungskommission sowie der parlamentarische Unterausschuss mit ihrer Arbeit beschäftigt waren, klagte der pensionierte Familienrichter und Politiker Martin W. auf Wiederaufnahme seines im Vorjahr verlorenen Verfahrens gegen die Mutter von Natascha Ka. Martin W. vertrat die These, dass Brigitta S. in die Entführung ihrer Tochter verwickelt gewesen sein könnte. Sein Anwalt ließ ausrichten, dass W. von neun Personen die Zeugenaussagen aufbieten wolle, die seine These stützen würden. Darunter Nachbarn und der damalige Leiter des Wiener Sicherheitsbüros, Max Edelbacher, welcher aussagte, dass Natascha Ka. damals bei ihren Eltern sehr unglücklich gewesen sei und zudem möglichen sexuellen Mißbrauch in den Raum stellte. Außerdem wollte W. den deutschen Staatsbürger Thomas V. präsentieren, welcher seinerseits behauptete, Kenntnis über eine „Pädophilen-Szene“ und einen Sex-Film zu haben, der angeblich auch Aufnahmen von Natascha Ka. beinhalten würde.
Unterstützung bekam W., der auch Natascha Ka. vor das Gericht als Zeugin laden wollte, von Ludwig Ko., dem Vater von Natacha Ka., und dem Detektiv Walter P. Sie wollten auch erreichen, dass die ganze Akte in diesem Verfahren geöffnet werden würde.
Zuvor hatten ein deutsches Magazin und das österreichische PROFIL Artikel über die Widersprüche in den Aussagen von Brigitta S. und auch der Mutter von Priklopil gebracht. Letztere will Natascha Ka. nur ein-, zweimal kurz im Haus ihres Sohnes gesehen und diese für eine Putzfrau gehalten haben. Die beiden Magazine zitierten allerdings Aussagen von Nachbarn, die beobachtet hatten, dass Priklopil mit dem Mädchen seine Mutter besucht hatte. Zudem wurde noch ein „Freund“ von Ernst H. angeführt, der behauptete, H. hätte ihm gegenüber gesagt, dass Priklopil und Brigitta S. sich gekannt hätten.
Offenbar waren beiden Magazine von Martin W. und Walter P. mit Material versorgt worden, um die angestrebte Wiederaufnahme des Verfahrens zu forcieren.
Brigitta S. wiederum klagte beim Landgericht für Zivilrechtssachen Graz abermals Martin W. auf Unterlassung, doch kam es im Mai 2008 zu Aussagen von einer Bekannten der S., die etwas Belastendes gegen S. an sich hatten. Beweise konnten aber nicht beigebracht werden.
Der letzte Verhandlungstag erfolgte erst im September 2008. Vor dem Bezirksgericht im steierischen Gleisdorf wurde auch der damalige Freund und Geschäftspartner von Priklopil befragt. Ein sehr unsicher wirkender Ernst H. sagte mit einer großen Sonnenbrille im Gesicht das aus, was er bereits zuvor ausgesagt hatte, wobei er Priklopil konsequent nur als „Bekannten“ bezeichnete. Danach attackierte H. draußen im Gang in einen Fotografen, woraufhin er von Ludwig Ko., der annahm, dass H. etwas mit dem Fall zu tun habe, gestoßen wurde. H. wiederum simulierte ein größeres Ereignis, bevor er sich entfernte.
Desweiteren wurde ein Nachbar von Brigitta S. in den Zeugenstand gerufen, der zuvor behauptet hatte, dass Priklopil bei ihr ein- und ausgegangen sei. Vor Gericht bestritt er diese Behauptung, während sich ein anderer Zeuge an diese Aussagen sehr wohl erinnern konnte. Ergebnis: null.
Zuletzt wurde der pensionierte ehemalige Leiter des Wiener Sicherheitsbüros befragt. Max Edelbacher bedauerte die Ermittlungspanne 1998 und die „falsche Bewertung“ der Hinweise. Wirklich Konkretes konnte er aber auch nicht hervorbringen. Seine Aussage, dass sich während der Ermittlungen Ludwig Ko. immer wieder nach seiner Tochter erkundigt habe, Brigitta S. dagegen bei ihm nie, warf ein schlechtes Licht auf die Letztere, mehr aber auch nicht.
Schlußendlich erlitt Brigitta S. in ihrer Außendarstellung als mehr minder liebe Mutter erheblichen Schaden, aber sie gewann das Verfahrenen auf Unterlassung gegen Martin W., weil sich dessen Zeugen als unglaubwürdig, widersprüchlich oder nichtssagend entpuppt hatten. Eine Tatbeteiligung von Brigitta S. konnte nirgends auch nur ansatzweise nachgewiesen werden.
Verurteilt wurde danach allerdings noch Ludwig Ko. wegen dem tätlichen Angriff gegenüber Ernst H., welcher wiederum wegen seiner Tätlichkeit nicht belangt wurde.
Am 18. September wurde der parlamentarische Untersuchungsausschuss aufgelöst. Dies ging allerdings einher mit der Auflösung der Bundesregierung unter Gusenbauer/Molterer.
Zu dieser Zeit scheiterte in Österreich die Regierung Gusenbauer/Molterer.
Und doch nahm diese unselige Geschichte einen weiteren Fortgang.
Es einmal war die Information ein gefundenes Fressen für die Medien und ihre Leser, dass das Haus von Priklopil in den Besitz von Natascha Ka. übergegangen war. Außerdem hatte Ernst H. in einem Interview bekannt gegeben, dass er mit Ka. telefonieren würde. Sie habe ihn eines Tages – im Jahre 2006 – angerufen, erzählte er.
Über den Inhalt dieser Telefonate ist nichts bekannt. Aber es waren zahlreiche und lange Telefonate zwischen der damals abgeschirmten Natascha Ka. und dem ihr angeblich praktisch unbekannten Ernst H. gewesen. Dies sorgte allgemein für Unverständnis, da war das Legen von roten Rosen auf das Grab von Priklopil durch Natascha Ka. nur noch eine Randnotiz.